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Archiv-Artikel

american pie Der Traum vom Dreamteam ist aus

Nach dem erneuten Scheitern auf internationaler Ebene wird im US-Basketball ein echtes Nationalteam mit Nationaltrainer gefordert

Kapitän Allen Iverson versuchte immerhin, etwas Positives in dem Debakel zu sehen. „Natürlich will man das ganze Ding gewinnen, aber wir sollten es zu schätzen wissen, dass wir in der Lage waren, wenigstens irgendwas zu gewinnen“, sagte der Basketballer von den Philadelphia 76ers, nachdem Team USA gegen Litauen die Bronzemedaille in Athen geholt hatte. Iversons tapferer Versuch konnte jedoch die Tatsache nicht vom Tisch wischen, dass die olympische Mission der US-Basketballer gescheitert war, wenn auch nicht so verheerend wie jene vor zwei Jahren bei der Weltmeisterschaft von Indianapolis, wo nur Platz sechs herausgesprungen war. Trotzdem herrscht Ratlosigkeit bei den Verantwortlichen nach den Spielen von Athen. 2006 ist die nächste Weltmeisterschaft, 2008 Olympia in Peking. Was ist zu tun, lautet die große Frage.

Gescheitert ist ja nicht nur die Rehabilitation für die WM-Schmach, gescheitert ist auch das Konzept, mit dem die alte Suprematie wiederhergestellt werden sollte. Nur die Besten hatte man nach Athen schicken wollen, außerdem sollte dasselbe Team bei Olympia auflaufen, das im Jahr zuvor in Puerto Rico – überaus souverän – die amerikanische Qualifikation bewältigt hatte. Beides klappte nicht. Ein Superstar nach dem anderen winkte ab, vom Puerto-Rico-Team blieben nur drei Leute übrig. Coach Larry Brown wurde nicht müde, den Zerfall jener Mannschaft zu bejammern, wenn er nicht gerade über die internationalen Fiba-Regeln zeterte. Ohne Zweifel war das Team des Vorjahres besser komponiert als das aktuelle, ob es in Athen gewonnen hätte, ist eine andere Frage. Viele Kommentatoren in den USA glauben inzwischen sogar, dass auch eine Mannschaft der besten NBA-Stars keineswegs eine sichere Goldbank gewesen wäre.

Für den Grund des wenig souveränen Auftretens gibt es eine populäre These. Die US-Spieler seien arrogant, interesselos und egozentrisch gewesen. Das ist, mit Verlaub, Quatsch. Bei den Assists führten die USA das Turnier haushoch an, und am Engagement hat es gewiss nicht gefehlt. Kaum von der Hand zu weisen ist aber, dass die Struktur des Teams nicht stimmte. Es fehlte an Präsenz und Größe unter dem Korb, es fehlte an Distanzschützen – im internationalen Basketball mit seiner extensiven Zonendeckung ein entscheidender Makel – die Defense war teilweise verheerend. Es gab zwar eine Reihe guter Dreierschützen im Team, jedoch keinen exzellenten. Die Defizite in der Abwehr wiederum lagen an der kurzen Vorbereitungszeit, aber auch an der Ahnungslosigkeit der Coaches, die bloß die ausländischen NBA-Spieler kannten, aber offenkundig keinen Schimmer hatten, dass Leute wie der Italiener Basile oder der Argentinier Montecchia die Dreier im Schlaf treffen. Außerdem hatte die NBA den US-Verband – offensichtlich aus Marketinggründen – gedrängt, statt passende und erfahrene Profis zu nominieren die aufstrebenden Jungstars LeBron James, Dwyane Wade und Carmelo Anthony der Welt zu präsentieren – großartige Talente, aber in Europa hoffnungslos überfordert. Dawn Staley, Spielmacherin des zum dritten Mal in Folge siegreichen Frauenteams der USA, brachte den Unterschied zu den Männern präzise auf den Punkt: „Wir hatten erfahrene Olympioniken im Team, sie nicht.“

Die Rezepte, die jetzt für die Zukunft gehandelt werden, unterscheiden sich drastisch vom alten Dreamteam-Konzept. Anstatt einmal mehr daran zu scheitern, Shaq, Kidd, Garnett oder Kobe zu überreden, solle ein echtes Nationalteam aufgebaut werden, fordern die Kommentatoren. Vor allem müsse es, wie bei den anderen Nationen, einen festen Nationaltrainer geben, der ein Gesamtkonzept für alle international aktiven US-Teams von der High School über das College bis zu den Profis entwickelt. Gehandelt werden Namen wie Jerry Sloan, Mike Fratello oder Rick Pitino. Für die großen Turniere solle ein Kern von Spielern gefunden werden, die zusammen passen und bereit sind, über Jahre hinweg immer wieder zum Nationalteam zu kommen. Dazu könnten auch die besten Akteure des Athen-Teams, Allen Iverson und Shawn Marion, gehören, die beide erklärt haben, unbedingt nach Peking zu wollen. Verzichten muss die Mannschaft der Zukunft wohl auf Tim Duncan. Frustriert von zu vielen Schiedsrichterpfiffen gegen ihn und zu wenigen für ihn, erklärte der Star der San Antonio Spurs: „Zu 95 Prozent ist meine Fiba-Karriere vorbei.“ MATTI LIESKE