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Archiv-Artikel

Der Trainer, der auf ein Wunder wartet

Der Berliner Schwimmtrainer Norbert Warnatzsch hofft auf ein gutes Abschneiden seiner Schützlinge bei den deutschen Schwimmmeisterschaften in der Hauptstadt. Und auf ein Talent für Olympia 2008. Seine Methoden sind nicht unumstritten

von JOHANNES KOPP

Noch bis vor zwei Jahren stand Norbert Warnatzsch im Blickpunkt der Öffentlichkeit. „Das war nicht so schlecht, nicht unangenehm“, bekennt Warnatzsch. Er trainierte damals die deutsche Vorzeigeschwimmerin Franziska van Almsick. Danach sei er wieder in Reih und Glied mit seinen Kollegen gerückt, sagt der 59-Jährige. Ohne Probleme. Die Aufmerksamkeit brauche er nicht wirklich.

Nun ist Warnatzsch als Berliner Olympiastützpunkttrainer ein Zuarbeiter für Örjan Madsen, den neuen Sportdirektor des Deutschen Schwimmverbands (DSV). Dieser will ein möglichst schlagkräftiges Team für die olympischen Sommerspiele 2008 in Peking zusammenstellen. Eine erste Bestandsaufnahme kann in den kommenden Tagen bei den Deutschen Meisterschaften, die vom 20. bis 25.Juni in Berlin stattfinden, vorgenommen werden.

Für Warnatzsch geht es zudem darum, das schlechte Abschneiden der Berliner Schwimmer im letzten Jahr vergessen zu machen. Das kratzt noch heute an seiner Trainerehre – wie grobe Wolle auf empfindlicher Haut. Ein einziger Meistertitel über 50 Meter Freistil, den Rafed El-Masri von der SG Neukölln erspurtete, ist eine kümmerliche Ausbeute für Berlin, die ehemalige Schwimmerhochburg, die unter anderem Franziska von Almsick hervorgebracht hat. Warnatzsch ist überzeugt: „Schlechter wie im letzten Jahr kann es gar nicht laufen.“ Seitdem van Almsick, Thorsten Spanneberg und Moritz Zimmer ihre Karriere beendet haben, steht der Berliner Schwimmverband ebenso wie der DSV in einer Phase des Umbruchs. Neue Talente müssen an das nationale beziehungsweise internationale Niveau herangeführt werden.

Für die anstehenden Meisterschaften kann Warnatzsch gleichwohl einige Berliner Titelkandidaten aufzählen wie Nicole Hetzer (400 m Lagen), Britta Steffen (50 m und 100 m Freistil), Rafed El-Masri (50 m Freistil), Oliver Wenzel (50 m Schmetterling), und Ernest Fahrland (200 m Rücken). Allesamt sind sie aber bereits über 22 Jahre alt. Ein junges Talent, das international im Spitzenbereich mithalten könnte, ist derzeit nicht in Sicht, stellt auch Warnatzsch fest. Auf nationaler Ebene konnten bislang zumindest die 19-jährige Stephanie Backhaus sowie die 17-jährige Sophie Dietrich auf sich aufmerksam machen.

Zur Letzteren erklärt Warnatzsch möglichst beiläufig: „Da ist noch eine, die trainiert nicht bei mir.“ Eigentlich mag er nicht über den Skandal vom August letzten Jahres sprechen, durch den die sportliche Aufbauarbeit des Berliner Schwimmverbands zwischenzeitlich in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sophie Dietrich und ihr Bruder Johannes sowie zwei andere Schwimmer hätten gemäß der Verbandsregeln in Warnatzschs Trainingsgruppe kommen sollen, da sie dem Juniorenbereich entwachsen waren. Sie wollten aber bei ihrem alten Trainer Harald Gampe bleiben. Der Vater von Sophie Dietrich erklärte der Presse, Warnatzsch hätte eine zu raue Umgangsweise, die bei seinen Schwimmerinnen gehäufte Krankheitsfälle bis hin zur Bulimie zur Folge gehabt hätten.

Warnatzsch berichtet, es sei ihm nicht möglich gewesen, sich gegen diese gedruckten Unverschämtheiten zu wehren. Er zeigt sich nach wie vor verwundert: „Persönlich kannten die mich doch gar nicht.“ Nur Johannes Dietrich habe er drei Wochen nach den Plänen seines Heimtrainers betreut. Daniela Samulski, die tatsächlich an Bulimie erkrankte, habe sich in einer Erklärung hinter ihn gestellt, sagt Warnatzsch. Letztlich durften die jungen Schwimmer nach fast halbjährigem Streit bei ihrem alten Trainer bleiben. Warnatzsch ging beschädigt aus dieser Angelegenheit hervor. Dennoch will er nicht mehr daran rühren, er möchte sich jetzt auf die sportliche Arbeit konzentrieren.

Gewiss ist Warnatzsch ein umstrittener Trainer. Er verlangt extrem viel. Die auch im Schwimmsport verbreitete Überlegung, dass weniger zuweilen mehr bedeuten kann, hält er für nicht fundierte Ideologie. Dass auch seine Musterschülerin Franziska van Almsick ihr enttäuschendes Abschneiden bei Olympia 2004 damit erklären wollte, beantwortet er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Zu viel Training kann es gar nicht geben“, scheint er damit sagen zu wollen.

Die zahlreichen Erfolge von Warnatzsch in den letzten Jahren, nicht zuletzt mit Franziska van Almsick, sprechen für den Schwimmtrainer. Die jetzt beginnenden Deutschen Meisterschaften werden zeigen, ob die Leistungskurve der Berliner Schwimmer wieder nach oben zeigt. „Vielleicht“, sagt Warnatzsch, „gelingt es in den nächsten zwei Jahren vor Olympia noch einem Talent, kometenhaft in die internationale Spitze vorzustoßen.“ Auch wenn bisher niemand zu sehen ist, der Trainer hofft noch. Warnatzsch weiß, bei Franziska van Almsick ging auch alles unvermutet schnell.