: Der Thriller hinterm Todesflug
Der Cessna-Absturz vom Rosenmontag ist nach wie vor ungeklärt. Mysteriös erscheinen zudem die Hintergründe der Reise nach Salzburg: Wer saß wirklich im Flugzeug? ■ Aus Berlin Christoph Oellers
Eine Geschichte wie im Film oder im Buch, jedenfalls wie ausgedacht. Eine Geschichte, die jetzt Amateurkommissare in bundesdeutschen Haushalten mehr in Atem hält als jeder Fernsehkrimi. Die Rede ist von der Cessna 550, die am Rosenmontag beim Landeanflug auf Salzburg bei Freilassing abstürzte. Die Maschine war eine Stunde zuvor vom Flughafen Berlin-Tempelhof gestartet. Zehn Menschen starben. Doch wer saß wirklich in dem Flugzeug? Je länger die Polizei ermittelt, um so rätselhafter wird die Geschichte.
Fest steht bislang, daß der Absturz nicht von außen, etwa durch eine Bombenexplosion, herbeigeführt wurde. Zweifelsfrei fest steht angeblich auch die Identität eines der Opfer, nämlich des 49jährigen Gottfried Hoffmann. Dennoch gibt es an dieser Identifizierung erhebliche Zweifel.
Hoffmann ist nämlich die Schlüsselfigur dieses Unglücks. Er stammte wie acht andere Opfer aus Berlin. Neuneinhalb Jahre seines Lebens hat er hinter Gittern verbracht – wegen Betruges, Heroinhandels, räuberischer Erpressung. Hoffmann war es, der den Flug für seine Gläubiger nach Salzburg organisierte. Dort wollte er für seine Schulden von über einer halben Million Mark aufkommen. Diese Gläubiger hatten ihre Gelder offensichtlich auf zweifache Weise dem „Anlagen- und Wirtschaftsberater“ Hoffmann anvertraut. Einerseits hat er für sie Schwarzgelder auf Konten ins Ausland – nach Luxemburg und Panama – geschafft, andererseits hat er Gläubigergelder in Immobilienfonds anlegen wollen. Das sollten Geldanlagen sein für Bauprojekte in Höhe von 150 Millionen Mark, bevorzugt in Ostdeutschland. Lauter Luftschlösser, von denen die zuständigen Behörden in Dresden und den Ortschaften um Berlin nie etwas gehört haben. Jedenfalls wurde ein Gläubiger, der Hoffmann 220.000 Mark für den Bau einer Augenklinik geliehen hatte, mißtrauisch und erstattete Strafanzeige wegen Betruges. Die Berliner Staatsanwaltschaft erhob bereits Anklage.
Im Unglücksjet zur Geldübergabe
Trotzdem hat sich dieser Gläubiger von Hoffmann am Rosenmontag in den Unglücksjet setzen lassen. Offensichtlich nahm der ehemalige DDR-Wachpolizist ernsthaft an, daß er in Salzburg sein Geld bar in die Hand gedrückt bekäme. Außer ihm und Hoffmann flogen laut Passagierliste noch sechs Personen mit, von denen im einzelnen bislang unklar ist, aus welchen Gründen sie mitflogen: als Gläubiger oder als Geschäftspartner und Freunde Hoffmanns. Vermutlich gehört eine 52jährige Gemüsehändlerin zur Gläubigerseite. Hoffmanns Anwalt, der noch offene Honorarrechnungen in Höhe von 100.000 Mark geltend machte, wurde am Tag vor Reisebeginn überredet, nicht mit dem Zug nach Salzburg zu reisen, sondern in dem Jet. Dafür wiederum durfte eine Kauffrau, der Hoffmann 75.000 Mark schuldete, kurzerhand nicht mitfliegen.
Außerdem waren an Bord der Cessna Hoffmanns Verlobte, der Rechtsanwalt Uwe Weitzberg, der in der DDR dem Richterbund vorstand. Schließlich noch ein Jürgen Tesdorpf und Kristian Benzmann. Letztere waren Geschäftspartner Hoffmanns. Wie Hoffmann hatten auch sie mehrere Jahre im Knast verbracht. Zuletzt hatte man bei der Abwicklung der Farb- und Lackfirma Cemulack in Berlin- Steglitz gemeinsame Sache gemacht. Benzmann war der Gesellschafter, der das Unternehmen 1993 in die Pleite führte, Hoffmann der von ihm eingesetzte Abwickler, und Tedorpf hatte ein Bodengutachten erstellt, wonach das Firmengelände wider allem Sachverstand nur gering belastet war. Sowohl gegen Benzmann („wegen schwerer Umweltgefährdung“) als auch gegen Hoffmann (wegen illegaler Entsorgung von Sondermüll) ermittelte die Umweltkripo.
Die Gerüchte darum, daß Hoffmann den Unglücksjet nie betrat und den Absturz durch Sabotage herbeiführte, verstummten auch gestern nicht. Trotz der „zweifelsfreien“ Identifizierung durch das Bundeskriminalamt vermutet nach Information der taz ein in Berlin gebliebener Gläubiger, daß Hoffmann nicht mitgeflogen sei. Bis zum Abflug habe dieser in Tempelhof am Taxistand mit dem Handy telefoniert.
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