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Der Tee trennt die Spreu vom Weizen

■ Tee erzielt Rekordpreise, aber nur für Spitzensorten / Masse der Trinker setzt mehr und mehr auf Billiges und Qualität / Die Russen kommen

Von Jürgen Schulz

Laut Brockhaus ist Tee ein „leicht anregendes, durstlöschendes, etwas harntreibendes Genußmittel“. Gleichwohl scheinen den Teehändlern die Sinne vernebelt gewesen zu sein, als sie vor wenigen Wochen an einem der Hauptumschlagplätze in Kalkutta Warenkontingente ankauften. Und was dabei herauskam, waren vernunftlöschende, stark preistreibende Rekorderlöse für den Stoff, aus dem die Chinesen vor fast 5.000 Jahren noch Arznei gewannen. Für das Kilogramm eines speziellen Darjeeling–Saftes wurde bis zu 380 Mark bezahlt. Der Durchschnittspreis der diesjährigen Ernte lag bislang zwischen 20 und 40 Mark, für feine Extrakte um 100 Mark; etwas weniger kostete dieselbe Menge des beliebten Assam–Tees, für die bis zu 60 Mark auf den Tisch des Hauses geblättert werden mußten. „In der Branche kann man sich nicht erinnern, daß jemals ein Preis in dieser Höhe gezahlt wurde“, stammelte der dpa–Tikker. Der deutsche Teeliebhaber Jetzt trinke ich soviel Tee, komme aber im gesamten Artikel nicht vor. die nicht existente k. dürfte sich mithin auf gesalzene Preissteigerungen gefaßt machen. Allein, in den Industrie– und Handelskammern nahm man von den Vorfällen in Kalkutta so gut wie überhaupt keine Kenntnis. Selbst Anfragen bei Verbraucherzentralen, wo ansonsten hochsensible Seismographen das Konsumentenglück beschützen, blieben ohne befriedigendes Ergebnis. Dies aus gutem Grund, denn die Hausse bei den Teepreisen hat „überhaupt keine Auswirkungen auf den bundesdeutschen Verbrauchermarkt“, versichert Wolfgang Wilhelm, Mitarbeiter eines bekannten Bremer Importunternehmens. Auch die Tatsache, daß in Darjeeling, dem berühmten Anbaugebiet am Fuße des Himalaya, die Plantagenarbeiter für knapp zwei Wochen die Ernte eingestellt hatten, sei ohne Einfluß gewesen auf die erzielten Gewinnspannen. „Das Niveau der Teesorten“, erstickt Wilhelm jegliche linksge wirkte Aufstandseuphorie im Keim, „ist allgemein abgesunken. Es gibt immer weniger gute Tees - und die sind dementsprechend teuer!“ Der Berliner Teeimporteuer und Sachbuchautor Werner Schmidt pflichtet dem Kaufmann aus der Hansestadt bei: „Die genannten Preise für Darjeeling und Assam sind beileibe nichts Sensationelles. Der Trend geht eindeutig immer mehr zur Masse, die Tees werden im allgemeinen immer billiger, was durch die anhal tende Dollarschwäche noch verstärkt wird. Demgegenüber verteuern sich die seltenen Spitzenprodukte.“ Jährlich müßten als direkte Folge „ein, zwei Spitzenplantagen in Darjeeling dichtmachen“, weil sich der Anbau hochwertiger Teesträucher nicht mehr lohnt. Daß dabei die Geschmacksvielfalt dieses Genußmittels - ähnlich wie bei Kaffee - weitgehend verlorengeht, steht für die beiden Experten außer Frage. Die Nivellierung der Gaumenfreuden über all auf der Welt hat selbstverständlich auch Auswirkungen auf die führenden Exportländer Indien und Sri Lanka. Werner Schmidt: „Es wird nur noch auf Quantität gesetzt. Da tickt eine Zeitbombe!“ Vielleicht sieht der Berliner auch zu schwarz, weil die hohen Einkaufspreise für die besseren Sorten die Investitionsdecke seines Tee–Spezialitätengeschäfts immer dünner werden läßt. Weniger dramatisch formuliert es der Bremer Importeur: „Wieso sollen die Anbauländer nicht auf Quantität setzen? Sie sehen doch keinen Anreiz, dies zu ändern!“ Aber schließlich gibt es da noch die elitäre Schicht jener Teetrinker, die ihr Gebiß am liebsten mit den feinsten Ernten umspülen. Und da es bekanntlich schon immer etwas teurer war, einem besonderen Geschmack zu huldigen, greifen sie auch gerne tiefer in die Tasche, nur sind es unterm Strich zu wenig, um den Spitzenplantagen die rentablen Absatzmengen zu sichern. In der Bundesrepublik Deutschland, weiß Geschäftsmann Schmidt über seine Lieblingsklientel zu berichten, sitzt diese Aroma–Kaste „vornehmlich in den Ballungsgebieten“, wo ein guter Tropfen eines vortrefflichen Patinaerzeugers überdurchschnittlich hoch im Kurs steht: „Hier leben erstklassige Genießer, die rare Tees trinken und sie zu schätzen wissen wie hervorragenden Wein. Die Deutschen kaufen ohnehin, durchschnittlich gesehen, den teuersten Tee.“ Lediglich die „breite Masse“ orientiere sich zunehmend an den günstigen Preisschildern. Auf den internationalen Märkten konkurrieren die deutschen Elitetrinker mit den verwöhnten Gourmets aus Japan, England und dem Nahen Osten, hier in erster Linie den Teekochern aus Saudi–Arabien. Doch während diese Länder eine lange Teetradition besitzen - in Nippons Reich avancierte die feierliche Teezubereitung im Zen–Buddhismus zum Volkssport, die Araber brachten den Stoff im frühen 17. Jahrhundert nach Europa, wo er hauptsächlich die Engländer nicht wieder losließ, sieht Wolfgang Wilhelm eine neue, gutbetuchte Käuferschicht heranreifen: die Sowjets, „die in den letzten Jahren an den internationalen Umschlagplätzen edle Tees ersteigern“, wobei er jedoch Verbindungen zur Anti–Wodka– Kampagne Michael des Trockenen ausschließen möchte. „Die roten Zaren“, mutmaßt dagegen Werner Schmidt, würden die begehrten Kannenfüllungen sogar im Tauschgeschäft mit Indien gegen Waffen und Industriegüter erstehen. Aber so weit wollen weder der Importeuer aus Bremen noch das Deutsche Teebüro in Hamburg gehen.

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