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Archiv-Artikel

„Der Streik ist von oben verordnet“

Internist Stefan Hochfeld beteiligt sich nicht am Protest. Funktionäre sollen Fundamentalopposition aufgeben

taz: Herr Hochfeld, wird sich Ihre Praxisgemeinschaft an den Ärzteprotesten beteiligen?

Stefan Hochfeld: Definitiv nein.

Warum nicht?

Das hat mehrere Gründe. Ich teile zwar die Kritik an den Plänen zur Facharztversorgung, die möglicherweise von dem ambulanten Bereich in die Krankenhäuser verlagert werden soll. Das ist nicht sinnvoll. Aber damit vermengt wird die Diskussion um die so genannte Nullrunde, die den Ärzten verordnet werden soll. Das gilt aber für alle Bereiche des Gesundheitswesens und kann deshalb nicht so diskutiert werden. Außerdem ist die Protestform in unseren Kreisen strittig.

Sie sind Mitglied der FrAktion Gesundheit in der Ärztekammer, die den Ärztestreik als „Frontalangriff gegen die Patienten“ verurteilt.

Natürlich kann man über die Patienten Öffentlichkeit herstellen, aber ob ein Streik dafür sinnvoll ist, das müsste unter den Ärzten zumindest sehr genau diskutiert werden. Genau das ist aber nicht passiert. Es gab eine einzige Vollversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung; aber da waren, wie so oft bei der KV, vor allem Fachärzte und kaum Hausärzte, insgesamt höchstens 10 Prozent der niedergelassenen Ärzteschaft. Diese Maßnahme ist von oben verordnet worden: von der KV und bestimmten Facharztfunktionären.

Die KV bangt um ihren Einfluss, den die Bundesregierung dadurch beschneiden will, dass sie Verträge zwischen den Kassen und einzelnen Ärzten zulässt. Welche Rolle spielt das?

Natürlich steht die KV unter erheblichem Druck. Immer wieder ist in den vergangenen Jahren ihre Abschaffung gefordert worden. Solange es keine andere Vertretung der Kassenärzte gibt, so lange kann man die KV nicht abschaffen. Aber sie muss dringend reformiert werden, damit sie nicht weiter vor allem Fachärzte vertritt und die Hausärzte außen vor bleiben. Falsch ist auch, dass die KV sowohl auf Bundesebene als auch auf regionaler Ebene eine Fundamentalopposition gegen die Regierung betreibt. Sie sollte sich in den Diskussionsprozess einklinken.

Wie schätzen Sie die Stimmung unter den niedergelassenen Ärzten ein?

Bei den Fachärzten ist der Protest sicher stärker akzeptiert als bei den anderen. Die FrAktion Gesundheit, zu der aber durchaus auch Fachärzte gehören, hat den Protest mehrheitlich abgelehnt. Wir stellen als größte Fraktion immerhin ein Drittel der Delegierten der Ärztekammer Berlin und sind damit durchaus repräsentativ.

Was müsste aus Ihrer Sicht jetzt passieren?

Wir brauchen eine Reform im Gesundheitswesen, und daran müssen sich die Ärzte beteiligen. Wir müssen also zurück an den Verhandlungstisch und dort endlich andere Themen in die Diskussion bringen: zum Beispiel wie der Trend in Richtung Mehrklassenmedizin gestoppt werden kann. Das wird von der KV aber zu wenig thematisiert.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

Der Internist Stefan Hochfeld ist Facharzt, hat aber lange Zeit als Hausarzt gearbeitet. Er praktiziert in einer Neuköllner Praxisgemeinschaft. Bis vor einer Woche war er Vorstandsmitglied und Delegierter für die fortschrittliche FrAktion Gesundheit in der Berliner Ärztekammer, die bis 1999 mit Ellis Huber den Kammerpräsidenten gestellt hat