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Der Steuermann wird gegangen

Martin E. Süskind, Sparkommissar und Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, muss seinen Schreibtisch räumen

Vielleicht müssen sich Mediengroßkonzerne so schnöde ihrer Chefredakteure entledigen, um zu zeigen, dass sie zwar auch keine Patentrezepte, aber immerhin das Sagen haben: Martin E. Süskind wird bei der Berliner Zeitung endgültig abserviert – mit nüchternen Dankesworten, er habe das Blatt „im schwierigen Berliner Zeitungsmarkt mit großer Anerkennung zu steuern“ verstanden.

Den Dank steuerte übrigens Achim Twardy, Zeitungsvorstand der Bertelsmann-Pressetochter Gruner + Jahr (und nicht etwa Vorstandschef Bernd Kundrun), bei, einen Nachfolger soll die G+J-Spitze auch schon parat haben. Wen, will am Tag, an dem der Rausschmiss auf Raten offiziell wurde, niemand sagen. Und auch bei der Berliner Zeitung selbst hält sich die Empörung in Grenzen: Die Sache habe sich schon zu lange hingezogen, um wirklich noch für Bestürzung zu sorgen. Potenzielle Nachfolger hatten sich immer mal wieder vorgestellt, laut Süddeutscher soll Süskind schon „vor Ende Juni“ gekündigt worden sein. Immerhin: „Als am Montagabend die Bestätigung kam, waren wir schon etwas konsterniert“, heißt es in der Redaktion.

Denn unbeliebt war der Steuermann Süskind schon länger: Zwar hielt er das zumindest bei G+J-Mehrheitspartner Bertelsmann ebenfalls wenig geliebte Blatt auf Kurs, an Fahrt gewinnen konnte aber auch er nicht: Nach wie vor leidet die Berliner Zeitung an ihrer schrumpfenden Stammleserschaft aus den Ostbezirken der Hauptstadt. Kostspielige, aber letztlich wenig überzeugende Marketingschlachten mit Holtzbrincks Tagesspiegel um das Image als „Hauptstadtzeitung“ fraßen erkleckliche Mittel, die Süskind für die Redaktion fehlten: Anders als sein Vorgänger Michael Meier (heute im Rahmen einer auch nicht überglücklichen G+J-Karriere via Stern bei der Netzeitung gelandet) war Süskind von Anfang an eher mit Sparen beschäftigt. Der Tagesspiegel durfte derweil relativ munter weiter investieren – und macht deutliche Verluste, während die Berliner Zeitung dieses Jahr aus den roten Zahlen herauskommen will.

Dass die G+J-Spitze und die Leitung des Berliner Verlages noch bis zum Beginn der sommerlichen Ferienzeit genauso offiziell zu ihrem Chefredakteur standen, wie sie jetzt seine Demission verkünden, gehört dabei zum schlechten Stil der Branche. Mitbewerber Holtzbrinck demontierte Roger de Weck, den ehemaligen Chefredakteur seines Wochenflaggschiffs Zeit, ebenfalls über Monate.

Beschädigt werden so vor allem auch die Titel selbst: Bei der Berliner Zeitung sind Verkaufsgerüchte ab sofort wieder bevorzugt zugelassen. Laut Süddeutscher will Bertelsmann-Chef Thomas Middelhoff nach wie vor am liebsten der Essener WAZ-Gruppe den Zuschlag geben.

Süskind, der eigentlich wohl am liebsten Chefredakteur der Süddeutschen geworden wäre, dann aber zum Kölner Stadtanzeiger und im Mai 1999 zur Berliner Zeitung kam, war gestern in eigener Sache für niemanden zu sprechen – und loyal wie immer in der Redaktion. STG

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