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Der Stein des Anstoßes

■ Die beabsichtigte Universitätsreform brachte das Faß zum Überlaufen

Paris (taz) - „Überhaupt keine Veränderung“ bringe das Gesetz, beteuert Erziehungsminister Monory, und Reformautor Devaquet beschwichtigt: „Ein Abiturient wird keinerlei Hürde nehmen müssen, um in die Universität zu kommen.“ Warum also all die Proteste? Handelt es sich tatsächlich um ein „Mißverständnis“, wie die Verantwortlichen sagen? Die Antwort steht zwischen den Zeilen der Gesetzesvorlage. „Das erste Semester steht Abiturienten offen“, heißt es in Artikel 31 der Gesetzesvorlage, aber nicht mehr „allen Abiturienten offen“ wie im alten Gesetz. Dem folgt in der Vorlage: „Die Universitäten können die Aufnahmebedingungen für die unterschiedlichen Studiengänge hinsichtlich der Fähigkeiten der Studenten und den eigenen Aufnahmemöglichkeiten bestimmen.“ Studenten und Schüler sehen damit die Möglichkeit einer Auswahl der Studenten von Seiten der Universität gegeben, was es bisher, entsprechend etwa dem bundesdeutschen Numerus Clausus nicht gab. Falsch, antwortet Hochschulminister Devaquet, die Universitäten gäben den Studenten nur Ratschläge. Doch keine Passage des Artikel 31 versichert den Studenten, daß Widerspruch gegen die Empfehlung der Universität eingelegt werden kann. Die Kontroverse beginnt bei der Auslegung des Textes. „Ungleichheit an Anfang und Ende des Studiums“, meinen die Studenten. Dieser Eindruck wird durch eine weitere Neuregelung verstärkt. Auf dem Diplom soll die Universität benannt werden, so daß die Absolventen nach dem Ruf der Uni ausgewählt werden können. Darüber hinaus aber leitet die Reform eine grundsätzliche Veränderung ein, die von vielen unbemerkt bleibt. Einzelne Fachbereiche der Universitäten sollen sich Devaquet zufolge auf Antrag selbständig machen können. Damit stünde vor allem privaten Unternehmen die Möglichkeit offen, auf Ausbildungsbereiche ihres Interesses selektiv einzuwirken. Heute werden die Mittel von zentraler Stelle auf die einzelnen Fachbereiche verteilt. Die Privatisierung der Universität nach US–amerikanischem Modell ist die eigentliche Zielvorstellung vieler rechts–liberaler Regierungspädagogen. Hinter diesen Vorstellungen bleibt die Devaquet–Reform weit zurück.

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