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Der Sonderling

Mit The Eels zeigt es Mark Oliver Everett seinen Klassenkameraden  ■ Von Felix Bayer

Stellen wir uns einmal vor, die Elite des US-amerikanischen Alternative Rock wäre gemeinsam in eine Schulklasse gegangen. Der Schüler Beck Hansen zum Beispiel wäre in dieser Klasse zwar gelegentlich verdroschen worden, weil er eben ein Hänfling war, aber dennoch wäre er recht hoch angesehen gewesen, da er immer mal wieder mit einem intelligenten Scherz beeindruckt hätte. Klassenkamerad Billy Corgan wäre dieser Humor ganz abgegangen: Mit ihm hätte niemand so recht etwas zu tun haben wollen – abgesehen von diesem Grüppchen Schwarzkittel, das Corgan an einem entlegenen Eck des Schulhofs um sich geschart hätte. Keine gute Noten hätte Kurt Cobain bekommen, aber dafür wäre er im Klassenverband bewundert gewesen: von den Mädchen wegen der intensiven Gespräche, die sie mit ihm hätten führen können; und von den Jungs, weil ihn die Mädchen eben bewundert hätten.

Und dann hätte es da noch diesen Brillenträger gegeben, den kaum jemand wahrgenommen hätte: Mark Oliver Everett. „Der schließt sich halt in der Pause immer im Klo ein“, hätten seine Mitschüler gesagt, oder: „Der ist echt seltsam, ein Freak eben.“ Und doch ist Mark Everett kein verhuschter Beamter geworden: Nein, auch er ist eine Art Rockstar und nennt sich einfach nur noch E. Unter diesem Namen hatte er schon zwei Soloalben aufgenommen, bevor er eine Band namens Eels gründete, angeblich so genannt, damit die Platten im Laden direkt neben seinem Solowerk stehen. Hmm, leider die Eagles vergessen! Mit dem ersten Eels-Album setzte E all den Freaks, die Außenseiter wie er waren, ein Denkmal: „Some people think you have a problem / but that problem lies only within them / just 'cause you're not like the ones.“

Und dann schlug der Tod zu: E verlor seine Schwester, seine Mutter, einige Freunde noch dazu. Kein Artikel über die Eels kommt ohne die Nennung dieser Schicksalsschläge aus, so ist die authentizitätssüchtige Rockbranche. Doch während Billy Corgan mit seinem Leiden hausieren geht, um die dräuende Musik der Smashing Pumpkins zu rechtfertigen, betreibt E mit seinem Songwriting echte Trauerarbeit. Das zweite Eels-Album Electro-Shock Blues ist beispielhaft in seinem poetischen und doch nicht verklärenden Umgang mit dem Schmerz. Dabei hilft E natürlich der schwarze Humor, der ihn schwarzgallige Texte zur Melodie von „O du Fröhliche“ singen lässt. Und dann das bewegende Ende jener Platte: „I was thinking about how everyone is dying / And maybe it's time to live.“

Am Montag war im Spiegel der groteske Versuch von Billy Corgan zu lesen, sich vom Leidensmann zum „Pop-Terroristen“ umzudeuten. Dabei ist die Musik der Pumpkins mehr denn je ein ungenießbarer Brei aus überproduziertem, selbstgefälligen Pathos-Rock. Wie leichtfüßig kommt dagegen die Musik der Eels daher! Auf dem hervorragenden neuen Album Daisies Of The Galaxy hört man einen Trauermarsch, schmissigen Power-Pop, fast Trip-Hoppiges und wunderschöne Balladen. Den Singlehit „It's Beautiful Blues“ als Hidden Track versteckt – so gut ist diese Platte! In der Bezugnahme auf den Blues, in der Stimmlage und in seinem Umgang mit Technologie ähneln die Eels Beck. Doch während Beck immer wieder auf der Suche nach dem nächsten stylishen Witz ist, ist die Fröhlichkeit, mit der E „Goddamn, it's a beautiful day“ singt, eine hart er-kämpfte. Um das zu bemerken, muss man nicht seine Lebensgeschichte kennen, das hört man!

Im Konzert wechselt E von der Gitarre zum Klavier hin und her, begleitet von seinem treuen Schlagzeuger Butch und einigen Streichern und Bläsern. Die Halle wird teilweise bestuhlt sein. Da kann das Publikum dann in sich gehen und sich klar darüber werden, dass oft diejenigen, die in der Schulklasse nicht die Beliebtes-ten waren, im Leben Großes schaffen.

So, 19. März, 21 Uhr, Markthalle

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