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Der Schwarzmarkt blüht in Algerien

■ Ein Jahr nach den Hungerunruhen ist die Wirtschaftslage in Algerien nach wie vor schlecht: Eine hochgradig defizitäre Industrie und Schwierigkeiten beim wirtschaftlichen Umbau sind die Ursache

Algier (dpa) - Wenn in Algier von Mangel die Rede ist, hört man immer wieder eines: Autoersatzteile. Glücklich ist derjenige, der einem Bekannten im Hafen französische Franc in die Hand drücken kann, damit dieser vier Autoreifen aus Marseille mitbringt. Zwar ist Devisentausch auf dem Schwarzmarkt strengstens verboten. Aber der Staat berücksichtigt offenbar die Nöte seiner mangelgeplagten Bürger: Wer Devisen besitzt, braucht deren Herkunft nicht nachzuweisen. Ein Jahr nach den Oktoberunruhen 1988, die sich an der miserablen Versorgung durch die vom Staat gegängelte Wirtschaft entzündet hatten, blüht der Schwarzmarkt in Algerien wie selten zuvor.

Es gibt Produkte, die nur kurzfristig auf dem Schwarzmarkt auftauchen und kurze Zeit später auch offiziell wieder zu haben sind, wie Kaffee oder Zigaretten. Und es gibt solche, die nur auf dem Schwarzmarkt zu haben sind, wie beispielsweise Zement. Davon werden 1989 acht Millionen Tonnen im Land hergestellt, zwei Millionen importiert, aber 16 Millionen Tonnen benötigt - ein schweres Los für die „Selbst-Hausbauer“, die nicht bis zum Sanktnimmerleinstag auf eine von den Behörden zugewiesene Wohnung warten wollen.

Zumindest die Versorgung mit „symbolisch“ wichtigen Grundnahrungsmitteln, wie Mehl und Milchpulver (Algerien hat eine jährliche Geburtenrate von drei Prozent), klappt wieder, wenn auch häufig mit Ach und Krach. Allein in der Zwei-Millionen-Metropole Algier müssen täglich 3.000 Doppelzentner Gries und die doppelte Menge Mehl an die Bäckereien geliefert werden, in den engen Gassen der Kasbah auf dem Rücken von Trägern.

Der Traum von der Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich nachhaltig als Trugbild erwiesen. Konnte Algerien 1975 noch 56,5 Prozent seiner Bedürfnisse aus eigener Produktion decken, so müssen gegenwärtig etwa 60 Prozent der Lebensmittel eingeführt werden. Zwar ist die Privatisierung der ehemals sozialistischen Agrardomänen weitgehend abgeschlossen, was Algerien einen 300-Millionen-Dollar -Kredit der Weltbank einbrachte, doch der Anteil der Landwirtschaft am Bruttoinlandsprodukt ist 1988 weiter gefallen. Agrarexporte spielen so gut wie keine Rolle. Ein Normeninstitut für Qualität und Verpackung wurde erst kürzlich gegründet. Für lange Zeit noch werden Erdöl, und -gas sowie Kondensate die fast alleinigen Exportgüter bleiben, auch wenn sich der Anteil der „Nicht -Kohlenwasserstoffe“ an den Ausfuhren 1987/88 von zuvor 2,4 auf fünf Prozent verdoppelte.

Zu den wichtigsten Problemen der algerischen Wirtschaft zählt die Industrie, die zum Großteil aus den 400 größten staatlichen Betrieben besteht. An den horrenden Verlusten, die auf ein Viertel des Bruttosozialproduktes geschätzt werden, haben auch Dezentralisierung und Verkleinerung der Betriebsgrößen nichts geändert. Trotz der geplanten Autonomie der Betriebe und Aufhebung des staatlichen Außenhandelsmonopols sehen westliche Experten „noch keine Wende der Talfahrt“. Als Handicaps werden genannt: äußerst schlechte Arbeitsmoral, vielzu große Belegschaften, Unerfahrenheit am Weltmarkt. Auslandsmanagement muß „rein“, faßt ein Fachmann zusammen. Die Widerstände gegen das geplante Joint-venture-Gesetz, die sich an einer „zu hohen“ (Mehrheits-)Beteiligung ausländischer Firmen stoßen, sind beträchtlich.

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