: Der Schreibtisch steht links
Andrea Hilgers führt seit zwei Monaten die Geschäfte der SPD-Fraktion ■ Von Peter Ahrens
Seit zwei Monaten sitzt Andrea Hilgers da, wo man die Macht vermutet. Die Macht hat ein schmuckloses Büro und einen Schreibtisch, über den alle politisch relevanten Themen in Hamburg irgendwann einmal wandern müssen: Kita-Card, Abschiebung, Bildungspolitik, Dasa-Erweiterung, Hilfen zur Erziehung. Es ist der Schreibtisch der parlamentarischen SPD-Geschäftsführung der Bürgerschaftsfraktion. Hilgers sitzt seit 60 Tagen an ihm und sagt: „Ich hab ein völlig entspanntes Verhältnis zur Macht. Sie ist nun mal notwendig, um etwas gestalten zu können.“
Als „Schnittstelle“ zwischen Fraktion und Vorstand versteht sie ihren Job, als eine Arbeit, die von der „kleinen Idee über die Anfrage bis zum Bearbeiten von politischen Schwerpunktthemen“ alles mitbringt, was Alltag in der Politikmühle ausmacht. An der Geschäftsführerin führt in der Fraktion kein Weg vorbei. Das bedeutet aber auch: Krisenmanagement, wenn Fraktion und Vorstand einmal ungnädig miteinander sind, und ständige Absprache mit dem Koalitionspartner, um gar nicht erst Konflikte ausbrechen zu lassen, die man später nicht mehr einfangen kann.
Da hat Hilgers allerdings bisher nicht viel Mühe gehabt: Die Zusammenarbeit mit der GAL sei „konstruktiv und problemlos“. Der kleine Koalitionspartner macht der SPD offenbar nicht viel Kopfzerbrechen, es gibt wenige Wogen zu glätten. Still ruht der See.
Entspannung, Unaufgeregtheit – das gilt auch fürs Verhältnis von SPD-Fraktion zur SPD-dominierten Regierung. „Der Glaube, eine Fraktion sei dann interessant, wenn sie sich vom Senat absetzt, ist ein Fehlschluss der Medien“, sagt Hilgers. Die Fraktion arbeite trotzdem durchaus eigenständig, „aber möglichst nicht im Streit“.
Hilgers war nicht immer so im Reinen mit ihrer Partei. Die 37-jährige Sozialwissenschaftlerin war gegen den Jugoslawien-Krieg. Als die SPD 1993 beim so genannten Asylkompromiss einknickte, war sie „völlig down“ und hält dieses Vorgehen auch heute noch für falsch. Als Vertreterin des linken Flügels ist sie auf den Geschäftsführerin-Posten gekommen, und sie ist davon überzeugt, dass Begriffe wie links und rechts immer noch ihre Bedeutung haben, wenn auch nicht mehr so wie früher. „Das Leiden an der eigenen Partei gehört dazu“ sagt sie und zitiert den geschiedenen SPD-Landeschef Jörg Kuhbier, der gesagt habe: Wenn man nur 50 Prozent Einvernehmen mit seiner Partei erreiche, sei es schon gut gelaufen. Ein Austritt aus der SPD sei für sie nie in Frage gekommen. „Leuten, die frustriert sind, sage ich eher: Mach mal ein Jahr Pause von der Politik, bevor du völlig aussteigst.“
Die wichtigsten Aufgaben für die kommende Legislaturperiode? Hilgers fallen da Wirtschaftsförderung und Innere Sicherheit nicht als erstes ein. Als linke Jugendpolitikerin liegen ihr Schwerpunkte wie die Jugendarbeitslosigkeit, Bildung und soziale Stadtentwicklung besonders am Herzen.
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