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Archiv-Artikel

portrait Der Schattenmann aus Jordanien

Mit bürgerlichen Namen heißt er Fadil Nasal al-Chalayleh. Er ist jordanischer Abstammung und nicht, wie oft behauptet, Kind palästinensischer Flüchtlinge. Bekannt wurde der 39-Jährige vor allem durch seine Grausamkeit. Al-Sarkawi soll es gewesen sein, der, hinter einer Maske versteckt, vor laufender Kamera am 11. Mai 2004 den entführten US-Bürger Nicholas Berg eigenhändig enthauptete. Das Video trug den bezeichnenden Titel „Abu Mussab al-Sarkawi schlachtet einen Amerikaner“.

In den letzten Monaten war es um al-Sarkawi vergleichsweise still geworden. Gerüchte kursierten, er sei von den Aufständischen als Anführer abgesetzt und zum reinen „militärischen“ Kommandanten heruntergestuft worden. Überprüfen lassen sich solche Angaben nicht. Auffällig aber war, dass in der Folge al-Sarkawis aggressive Rhetorik ausblieb.

Der Statthalter von al-Qaida ist unter Iraks Aufständischen umstritten, weil er zum bedingungslosen Kampf gegen die Schiiten aufruft, die im Land die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Als Sunnit beschimpft al-Sarkawi die Schiiten als Ungläubige, deren Tötung heilige Pflicht sei. Al-Qaidas Nummer zwei, der Ägypter Aiman al-Sawahiri, sah sich genötigt, den Statthalter im Irak schriftlich zur Ordnung zu rufen – mit der Begründung, dass sich ein effektiver Widerstand gegen die Besatzungsmacht USA gegen die Mehrheit der Bevölkerung kaum organisieren lasse.

Al-Sarkawi träumt wie die gesamte Spitze des Terrornetzwerks al-Qaida auch von der Errichtung eines Kalifatstaates, in dem der Kalif als Nachfolger Mohammeds mit der politischen und religiösen Führung der Umma, der muslimischen Gemeinschaft, betraut ist. Konsequenterweise drohte al-Sarkawis Organisation denn auch bei den vorigen Parlamentswahlen all jenen mit dem Tod, die sich an der Wahl beteiligten. Dass Mitte Dezember dennoch drei Viertel der Wahlberechtigten ihre Stimme abgaben, wurde anschließend als Niederlage für die Aufständischen gewertet – und al-Sarkawis Zurückhaltung in den Medien mit einem Bedeutungsverlust seiner Person begründet.

Solche Deutungen dürften mit der Ausstrahlung des jüngsten Videos allerdings vorbei sein. 25 Millionen Dollar sind auf den Kopf al-Sarkawis ausgesetzt, nach niemand sonst wird im Irak so intensiv gefahndet. Mehrfach soll der Al-Qaida-Chef seiner Verhaftung nur knapp entgangen sein. Auch über seinen möglichen Tod wurde schon spekuliert. Und was macht al-Sarkawi: Er präsentiert sich erstmals ganz ohne Maske – und in der Pose des siegesbewussten Anführers. Die Botschaft ist deutlich: Die Zeit al-Sarkawis ist keineswegs vorbei. WOLFGANG GAST