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Der Schäuble, der Schäuble, der hat immer recht

■ Die CDU diskutiert die Steuerreform: Waigel bleibt vage, Uldall hat ein gutes Konzept – aber der starke Mann der Partei ist wieder einmal der Fraktionschef

Bonn (taz) – Auftritte von Gunnar Uldall sind wie eine frische Brise. Jedenfalls auf Veranstaltungen wie der CDU-Konferenz mit dem hochtrabenden Titel „Steuerpolitik für das 21. Jahrhundert“, auf denen Leute wie Finanzminister Theo Waigel die Hauptredner sind. Anderthalb Minuten Zeit gibt der Moderator dem CDU- Bundestagsabgeordneten Gunnar Uldall, sein Steuersenkungsmodell mit den drei Steuerstufen 8, 18 und 28 Prozent vorzustellen. Uldall überzieht lediglich um etwa 15 Sekunden. Der anschließende Beifall der etwa 1.000 Zuhörer in der Bad Godesberger Stadthalle zeigt: Die Sehnsucht nach dem großen Wurf in der Steuerfrage ist stark. Doch befriedigt wird sie nicht. Auch nicht von Wolfgang Schäuble, der gestern den Leitantrag für den Bundesparteitag zur Reform der Einkommensteuer vorgestellt hat: Die Steuern werden zwar auf breiter Front gesenkt, doch eine radikale Änderung des Einkommensteuersystems bleibt aus.

Am Montag vormittag hatte Finanzminister Theo Waigel anderthalb Stunden gebraucht, um zu sagen, wie er sich künftig den Steuerstaat Deutschland vorstellt – aber er hat sich nicht annähernd so klar ausgedrückt wie Uldall und jetzt auch Schäuble.

Als Spitzennachricht mußte herhalten, daß Waigel nach etwa einer Stunde Redezeit erstmals von einer Senkung des Spitzensteuersatzes auf 35 bis 40 Prozent sprach und den Eingangssteuersatz von 26 Prozent „spürbar“ senken wolle. Schon vor Wochen hatte CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble von Steuersätzen zwischen 40 und 20 Prozent gesprochen. Schön, daß der Finanzminister das jetzt auch kapiert.

Uldall weiß selbst, daß sein Vorschlag nur geringe Chance hat, genau so verwirklicht zu werden. Zu hart rückt er zahlreichen Interessengruppen zu Leibe, indem er die Steuermindereinnahmen, die sich durch sein Modell ergeben, durch eine radikale Beschneidung der Steuervergünstigungen finanzieren will – mit lediglich drei Ausnahmen: Arbeitnehmerfreibetrag (allerdings verringert), Vorsorgeaufwendungen, Kinderfreibetrag. Ende der Durchsage. Waigel dagegen bleibt vage. Er will niemandem wehtun. Er drückt sich davor, konkret zu sagen, wie er die Steuermindereinnahmen in Höhe von etwa 80 Milliarden Mark gegenfinanzieren will. Wolkig umschreibt er: „Es geht um die breite Erfassung des handelsrechtlichen Gewinns ohne spezielle Sondervergünstigungen.“ Und: „Es geht um die breite Erfassung von Lohn- und Ersatzleistungen.“ Von Einkünften aus Kapitalvermögen dagegen kein Wort.

So verführerisch der Uldallsche Vorschlag demgegenüber klingen mag, die anschließende Diskussion mit Parteifreunden zeigt, worauf der Finanzminister offenbar schon von vornherein Rücksicht nimmt. Ob ein ostdeutscher Finanzminister, ein westdeutscher Kommunalpolitiker oder ein Interessenvertreter der Steuerzahler: Sie alle haben ihre Pfründen im Blick. So hält der sächsische Finanzminister Georg Milbradt eine „Vereinfachung des Steuerrechts“ gerade in Ostdeutschland für fatal. Solange es dem Osten im Vergleich zum Westen noch so schlecht gehe, müsse die Bundesregierung eine „auf die Überwindung dieser Unterschiede gerichtete Politik“ machen. „Sonderabschreibungen Ost“, so Milbrandt, „dürfen nicht ersatzlos gestrichen werden“. Der Karlsruher Oberbürgermeister Gerhard Seiler gibt zu bedenken, daß sich die finanzschwachen Gemeinden Einnahmenverluste durch verringerte Steueraufkommen nicht leisten können, und sagt rigoros: „Ich bin gegen eine Steuerreform. Da würde es auch nicht helfen, so Seiler, „wenn der Bundesfinanzminister sagt, daß ein Ausgleich über eine Mehrwertsteuererhöhung erfolgen soll“. Hoppla! Hat Waigel im internen Kreis also doch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Finanzierung der Einkommenssteuer eingeplant? In seiner Rede vom Montag läßt er diese Frage offen. Auch der Präsident des Steuerzahlerbundes, Karl Heinz Däke, denkt zuerst an seine Klientel: Beim Abbau von Steuervergünstigungen „muß es Tabus geben“.

Zum Abschluß der Veranstaltung spricht der, der in der CDU wohl am besten weiß, was gemacht wird: Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Die Steuerreform tritt erst 1999 in Kraft. Die Nettoentlastung für die Steuerzahler beträgt nicht mehr als 30 Milliarden. Betriebsausgaben sind weiterhin absetzbar. Ein grundsätzlich neues Einkommensteuersystem wird es nicht geben. Genau das steht auch im Leitantrag, den er einen Tag später vorstellt. Und genau so wird es kommen. Wolfgang Schäuble ist zwar kein Hellseher, aber er ist der starke Mann in der Partei, und er behält gerne recht. Markus Franz

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