: Der Prüfstand
Brauchen wir eigentlich noch …Arbeitsämter?
Gleich der Auftakt zur neuen taz.mag-Reihe „Brauchen wir eigentlich noch …“ geriet zum großen Debakel für die staatlichen Arbeitsvermittler. Vermutlich lesen ArbeitsamtmitarbeiterInnen nicht die taz oder sorgen sich einfach nicht genug um den Erhalt ihres eigenen Arbeitsplatzes. Einzig Uwe T., Leserbrief-Urgestein aus L., lässt in Sachen Arbeitsamt Gnade vor Recht ergehen. Er schreibt: „Solange Tausende von Menschen auf diese Weise eine Beschäftigung haben – als MitarbeiterInnen der Arbeitsämter! – brauchen wir sie noch ganz dringend.“
Unter den sonstigen Zuschriften fand sich kein einziges deutliches Ja zu den Arbeitsämtern in ihrer jetzigen Form, hingegen viele Geschichten aus dem Tollhaus der Arbeitsvermittlung beziehungsweise durchaus auch -vereitelung. Karsten W., Florist aus M., schildert seinen Erstkontakt mit seiner Sachbearbeiterin. „Ich teilte der Dame mit, dass ich halbtags gearbeitet hatte und dies auch wieder tun wolle. Das sprengte bereits alle ihre Kategorien. ‚Sie – als gesunder junger Mann? Nein, ich trage Sie für ganztags ein.‘ “ Bereits drei Wochen nach Beginn seiner Arbeitslosigkeit wurde W. in eine Schulungsmaßnahme geladen. „Die Maßnahme ging über vier Wochen. Die letzte Woche war ganz in Ordnung, weil dort Bewerbungstraining gemacht wurde. In den ganzen Wochen zuvor wurde unser Allgemeinwissen getestet – ganztags wohlverstanden. Das Ergebnis für mich: Ich hätte Schwierigkeiten beim Bruchrechnen. In acht Jahren Floristentätigkeit habe ich nie bruchrechnen müssen, warum auch? Die Maßnahme – eine einzige ABM für arbeitslose Akademiker. Meine jetzige Stelle habe ich durch Eigeninitiative gefunden. Von meiner Sachbearbeiterin habe ich nie eine Stelle angeboten bekommen. Nicht einmal für ganztags. Und übrigens: Acht Wochen nach der Maßnahme sollte ich schon wieder an einer Fortbildung teilnehmen. Es war exakt dieselbe.“
Harald K. aus H. war als Bauingenieur angestellt und machte sich selbstständig, als die Firma Pleite ging. Doch es kamen nicht genug Aufträge herein, um davon leben zu können, sodass er sich nach einem Jahr doch noch arbeitslos meldete. „Ich erzählte meiner Sachbearbeiterin, dass ich mir ein Werbekonzept für Bauaufträge ausdenken würde, worauf sie mir sagte, ich wisse doch hoffentlich, dass ich mich pro Woche höchstens fünfzehn Stunden mit diesen Plänen befassen dürfe. Ich starrte sie an und fragte: Und was ist, wenn ich mal davon träume? Da fragte sie, ob ich frech werden wolle. Im Übrigen bräuchte ich mir keine Illusionen zu machen. Im Baugewerbe gebe es überhaupt keine freien Stellen. Basta.“
Beatrix S. aus R. hatte sich nach dem Germanistikstudium als Verkäuferin über Wasser gehalten, wurde arbeitslos und besorgte sich auf Eigeninitiative ein dreimonatiges unbezahltes Praktikum bei einem Verlag in Berlin. „Beim Arbeitsamt sagte man mir, natürlich dürfe ich ein solches Praktikum antreten – „Das ist ja klasse für Sie!“ –, aber nur, wenn es in R. stattfände. In Berlin würde ich ja nicht dem heimischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, wenn ein Angebot für mich reinkommen sollte. Ich habe das Praktikum dann sozusagen heimlich gemacht und die ganze Zeit gebetet, dass mir nicht irgendein Verkaufsjob dazwischen kommt. Nach dem Praktikum bin ich tollerweise vom Verlag übernommen worden. Hätte ich mich von meinem Sachbearbeiter entmutigen lassen, ich wäre wohl heute noch arbeitslos. Deshalb: Nein, eigentlich geht’s auch ohne Arbeitsamt.“
Corinna F., Sozialarbeiterin aus T., die durch ihre Mutterschaft lange nicht in ihrem Beruf tätig gewesen war, entschloss sich, um weiter im sozialen Bereich tätig sein zu können, zu einer Umschulung zur Krankenpflegerin. „Die Kosten für die dreijährige Ausbildung“, schreibt sie, „wurden vom Arbeitsamt übernommen. Mit der Maßgabe, dass ich die Kosten zurückzahlen müsste, wenn ich die Ausbildung abbreche. Die Ausbildungsinhalte machten mir keine Probleme, wohl aber die Situation, nach fast zwanzig Jahren wieder auf der Schulbank zu sitzen – vor Lehrern, die teilweise wenig Ahnung hatten. Im zweiten Ausbildungsjahr begann ich mich immer unwohler zu fühlen, auch körperlich. Aber abzubrechen konnte ich mir finanziell überhaupt nicht leisten. Dann wurde bei mir Brustkrebs diagnostiziert und eine Brust entfernt. So gruselig es ist: Nur so kam ich ohne ‚Strafe‘ aus der Ausbildung. Aber für die Verwaltungsbestimmungen muss man ja wohl eher die Politik verantwortlich machen als die Arbeitsämter.“
Nächste Woche geht es um den Buchstaben B: Brauchen wir eigentlich noch … Ballett? Ihre Antworten bitte an: die taz, Brauchen wir?, Kochstr. 18, 10969 Berlin; Fax (0 30) 2 59 02 -6 54; E-Mails bitte an fragen@taz.de