: Der Prüfstand
Brauchen wir eigentlich noch … die Dire Straits?
Wir brauchen Dire Straits natürlich täglich, und wer das nicht auch meint, sucht zwanghaft einen originelleren Musikgeschmack oder hat gar keinen.
Karoma Bechtel
Natürlich brauchen wir die Dire Straits, was soll die Frage? Axel Bo
Hm, tja, darauf gibt’s mehrere Antworten, deren grundsätzliche die ist, dass die Dire Straits noch nie gebraucht wurden, wodurch sich die Frage im Kern als rhetorisch herausstellt und erübrigt. Den nicht rhetorischen Teil kann man mit einigem guten Willen als komplettes Missverständnis von fast allem und jedem, insbesondere Musik, Geschmack, Jugendkult und Revolutionsstatus, beantworten.
Dire Straits werden vollkommen dem begrifflichen Komplettirrsinn des AOR (adult oriented rock) zugerechnet, der ungefähr behauptet, dass sich diese Musik an Erwachsene richtet, ohne den unterstellten Charakter des Rock als (jugendliche) Protesthaltung aufzugeben. In dem Moment, wo man dies versucht zu denken oder sich zumindest vorzustellen, wird man scheitern: Es kommt irgendwas raus wie „durch Reife geläutertes Zucken“ oder „protestierendes Establishment“ oder „Gang durch die Institutionen ohne Benutzung des Fahrstuhls“. Also so was wie humane Massenvernichtungswaffen oder musikinteressierte Musikverlage.
Das wiederum liegt daran, dass halt immer das Andere und Falsche im Falschen gemeint ist. Dass sich adult an Erwachsene richtet, impliziert, dass Rockmusik entweder vorher von oder für Jugendliche gemacht wurde. Das eine ist so komplett falsch wie das andere, das beispielsweise behaupten würde, Miniröcke seien genuin für Jugendliche gemacht, bloß weil sie in der Phase der Entstehung vermehrt von jungen Frauen getragen wurden. Aber so was wächst sich ja aus: also adult oriented mini-skirts.
Was dann den alt gewordenen Rockhörern suggeriert, es sei nicht schlimm, dass sie älter werden, weil für sie gäbe es ja auch eine Form des Rock, die mit der Fahne der Protesthaltung kokettiert. Was wiederum zum einen Quatsch ist, weil Rockmusik im Innern nichts mit Protesthaltung zu tun hat, und auch wieder nur heißt, dass dies in der Phase seiner Entstehung eine nicht seltene Haltung von Musikern und Rezipienten war, aber auch da schon eher die Minderheit: Don’t Step on my Blue Suede Shoes war nicht wirklich ein revolutionärer Song, sondern eher so ein individuelles „Hoppla, jetzt komm ich“.
Dass Jugendliche wie Ältere geistig Rentner und von eher alzheimerscher Haltung sein können, heißt ja eben auch nur, dass nicht die Anzahl der Jahre zählt. Genau wie die Haltung einer Musikrichtung (falls es so etwas überhaupt gibt) eben nicht an beats per minute, Anzahl der elektrisch verstärkten Instrumente oder deren Phonstärke gemessen werden kann.
Zu all diesem Schwurbel passt nun Dire Straits kongenial, was man schon daran sehen kann, dass ihr bekanntester und Durchbruchhit eben „Sultans of Swing“ hieß und nicht „Kings of Rock“. Dire Straits sind einfach der unselige Versuch von instrumentalorientierten Pädagogen, unzensierte Musik für reif gebliebene Lehrer zu machen. Uwe Schmitter
Lange habe ich widerstanden, zu diesen Fragen etwas zu äußern, aber jetzt hält es mich nicht länger: „Brauchen wir die Dire Straits?“ Natürlich! Was denn sonst? Es gibt die Beatles nicht mehr, es gibt The Band nicht mehr, und es gibt ja auch die Dire Straits nicht mehr. Es gibt noch Mark Knopfler, und der macht zum Glück noch akzeptable Musik.
Wolf Schairer, Elmshorn
„Wir“ ja vielleicht noch, aber unser Nachwuchs? Meine Nichte (24) zum Beispiel sagte, sie habe den Namen schon mal gehört. Als ich ihr „Sultans of Swing“ vorspielte, verzog sie die Mundwinkel nach unten und sagte: „Ach, das ist von denen …“
Carolin Bongard, Köln
Die heutige Prüfstandfrage lautet: Brauchen wir eigentlich noch … ECHT KÖLNISCH WASSER? Antworten bitte bis Mittwoch früh an: die taz, Brauchen wir? Kochstr. 18, 10969 Berlin, als Fax an (0 30) 2 59 02-6 54 oder als E-Mail an fragen@taz.de