: „Der Personalstab des Fonds läuft Amok“
■ taz-Dokumentation, Teil 4: IWF-Aussteiger Budhoo über die Ohnmacht der Entwicklungsländer und neue Gremien für IWF und Weltbank
Eine der dringlichsten Botschaften, die ich mit diesem Offenen Brief vermitteln will, besagt, daß der Personalstab des Fonds Amok läuft und mit der Dritten Welt Russisch Roulette spielt; die Bürokratie muß unter Kontrolle gebracht werden, es müssen checks and balances eingebaut und unverzüglich wirksam gemacht werden, um die Entscheidungsmacht des Gouverneursrates und der Versammlung der Exekutivdirektoren sicherzustellen... Eines der wichtigsten Probleme der Reformstrategie betrifft die Machtverteilung zwischen den Mitgliedsländern bezüglich der Stimmrechte und der formalen Kontrolle dieser Institution. Wenn der Status der Entwicklungsländer als Eigentümer des Fonds aufgewertet wird in Richtung eines Status als Leiter und Verantwortliche der Geschichte des Fonds sowie als Verwender der Ressourcen und als Erzeuger der Profite des Fonds, dann wird dies unmittelbar und automatisch eine Umkehrung der Omnipotenz des IWF-Stabs gegenüber der Dritten Welt und des institutionellen Dogmas bewirken.
Und schließlich wird sich auch die Wahrnehmung des IWF -Stabs, welche welteiten Interessen „zu schätzen“ sind, verändern... Die Frage wird in den Raum gestellt: Wer im Westen wünscht die Institutionen von Bretton Woods bloßzustellen und nach vierzigjährigem Versagen einer öffentlichen Bewertung preiszugeben? Wer im Westen wird den Vorschlag eines gerechteren und effizienteren globalen Systems unterstützen, und zwar auch dann, wenn dieses weniger vorteilhaft für sie ausfällt? Sagen Sie mir: Wer wird so weit gehen?... Interne Mechanismen von checks and balances. Hier schlage ich die sofortige Einrichtung all der Sicherungsmaßnahmen vor, die in den Gründungsartikeln des Fonds aus dem Jahr 1944 zwar vorgesehen sind, die aber hauptsächlich wegen des unvorhersehbaren „Überfalls“ des Fonds durch die sich ausbreitende Bürokratie und wegen deren überragendem Erfolgs bei der Ausschaltung aller anderer potentieller Macht- und Entscheidungszentren - niemals aktiviert wurden.
So muß beispielsweise dem in der Vergangenheit gegründeten, aber zahnlos und gefangen gehaltenen Interimkomitee und dem Entwicklungsausschuß sowie der Gruppe 24 der Weg freigemacht werden, sich als völlig unabhängige Gremien des Fonds einzurichten, die eine wirkliche Entscheidungsmacht auszuüben vermögen. Ein solches Gremium sollte also nicht dem Stab des Fonds „beratend“ zur Seite stehen; vielmehr sollte es selbst über einen kleinen, aber mit höchstem Sachverstand ausgestatteten Kreis von Experten verfügen können, die als Gegengewichte zu den Methoden und Ansätzen der zunächst noch bestehenden und alles durchdringenden Macht unserer Nobilität fungieren können ...
Ich schlage vor: einen Beirat, der die Funktionen des heute abgedankten Beratungsgremiums übernimmt und als letzte Berufungsinstanz bei Problemen in der Durchführung der Hilfeleistungen fungiert; eine Reihe regionaler Koordinierungskomitees, die jährlich die ökonomischen Fortschritte in den Mitgliedsländern begutachten und allgemeine Richtlinien für zukünftige Operationen des Fonds und der Weltbank in einzelnen Ländern und Regionen formulieren; ein „Wachhundkomittee“, das von den Entwicklungsländern selbst eingerichtet wird.
Der Beirat soll als letzte Berufungsinstanz für wenigstens drei Probleme fungieren. Erstens soll er Konflikte zwischen der Bank oder dem Fonds beziehungsweise zwischen beiden und den Mitgliedsländern im Falle von Politikveränderungen entscheiden, die als notwendig angesehen werden, um bestimmte ökonomische und soziale Ziele zu verwirklichen (selbstverständlich nur in dem Fall, daß dabei Ressourcen des Fonds oder der Weltbank eingesetzt werden).
Zweitens sollen Klagen von Mitgliedsländer geprüft werden, die sich aus Vereinseitigungen oder Inkonsistenzen der Haltung von Fonds/Weltbank im Zuge von Regierungswechseln oder Veränderungen der nationalen Wirtschafts- und Sozialpolitik ergeben ...
Drittens soll er durch vom Fonds/Weltbank förmlich vorgebrachte Klagen überprüfen, wonach Mitgliedsländer ursprünglich getroffene Vereinbarungen über „Konditionalitäten“ im Falle der Nutzung von Ressourcen nicht einhalten.
Das Komitee soll den ökonomischen Zustand eines Landes untersuchen, und zwar nach Maßgabe der ökonomischen und sozialen Prioritäten jeden Landes... Die Kommentare und Empfehlungen des Komitees werden an die zuständige Regionalabteilung und die Regierung des betreffenden Landes sowie an den Rat der Exekutivdirektoren weitergereicht. Sollte der Stab von Fonds und Weltbank die Ergebnisse der Regional-Komitees bei seiner „Kreditwürdigkeitsbewertung“ und seiner „Politikempfehlung“ nicht berücksichtigen, kann das betreffende Land unmittelbar und unter Berufung auf die Ergebnisse des Komitees Beschwerde beim Beirat einlegen.
Ich schlage vor, daß das Komitee sich aus einer Reihe hochqualifizierter Personen - politische Größen, Kirchenvertreter, Ökonomen, Soziologen, Juristen und Gewerkschaftsvertreter - aus Entwickelten und Entwicklungsländern zusammensetzt. Der Grund für die Einrichtung eines solchen Komitees besteht in der überwältigenden Macht von Fonds und Bank gegenüber einzelnen Regierungen und gegenüber den Finanzministerien in der Dritten Welt. Das Komitee, das nur auf ausdrücklichen Wunsch der Regierung eines betroffenen Landes seine Arbeit aufnimmt, soll dazu beitragen, das langwährende und außerordentliche Machtungleichgewicht einzudämmen.
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