■ Press-Schlag: Der Oberfan
Peter hat das Malheur sofort entdeckt: „Wenn hier die Nachmittagssonne rumkommt, kann der Linienrichter die Strafraumlinie kaum noch erkennen“, analysiert er und schlägt vor, „da einfach noch mal nachzukreiden“. Peter ist internationaler Experte für Regelfragen („war selbst mal Schiedsrichter“), Flaggenberater („nein, nein, den Union Jack könnt ihr nicht als englische Fahne hochziehen“), Statistiker („das wäre jetzt das 300. Länderspieltor gewesen“) und Vermittler („kein Problem, mit Lennart Johansson bin ich gut bekannt“). Aber eigentlich ist er Sportfan. Immer und weltweit.
Bei der Frauenfußball-WM in Schweden hat er sein Hauptquartier in Karlstad, dem Spielort der Deutschen aufgeschlagen. Sein Bully in vergilbtem Orange parkt genau gegenüber dem „Stadshotellet“, wo die deutsche, englische und nigerianische Delegation logiert, „das ist strategisch der beste Punkt“. Rechts neben sich, da wo normalerweise der Beifahrersitz montiert ist, befindet sich sein Archiv, „natürlich nur ein kleiner Teil“, ein Berg aus Zeitungen, Aufstellungen und Fotos. „Ich muß mich schließlich statistisch und mental auf die Spiele vorbereiten“, sagt er.
Die schwedischen WM- Orte hat er schon das erste Mal bei einer kleinen Frühjahrsreise inspiziert, „da hatte ich zwischen zwei Sportterminen etwas Luft.“ Ein seltener Fall, „denn die Zahl der Veranstaltungen wird immer größer, da kommt es leider oft zu Überschneidungen.“
Seit den Olympischen Spielen 1972 in München ist Peter Krefft (45) unterwegs. Die ersten zehn Jahre in einem VW-Käfer, „der hat dann leider seinen Geist aufgegeben“ – nach 250.000 Kilometern. Bis auf die Olympischen Spiele in Moskau hat er alle großen Ereignisse gesehen, sein Herz für Frauenfußball schlägt allerdings erst seit der Europameisterschaft in Italien 1993, „da kam ich zufällig vorbei und war gleich begeistert.“ Als es dann noch ein kleines Problem gab, „die Pressetexte waren nur auf italienisch“, war er gleich zur Stelle, „ich habe ja mittlerweile einige Erfahrung“.
Egal wo er hinkommt, fragt er, ob es was zu tun gibt, und das gibt es eigentlich immer. Also packt er mit an, „ich fange immer in der untersten Hierarchie an, die Verantwortlichen kommen dann schon auf mich zu.“
Sobald der Zeitplan einer Veranstaltung steht, arbeitet er seine Touren aus. Schließlich hat er vor Ort auch noch zu tun – für das Heidelberger Sportinstitut organisiert er Fußballturniere und Lauftreffs. Auf Honorarbasis, denn seitdem er durch einen Autounfall Invalide ist, darf er sich nur begrenzt etwas zu seiner Rente dazuverdienen. „Manche denken wahrscheinlich,“ und er tippt sich an die Schläfe, „bei mir stimmt hier oben was nicht. Aber andere haben eine Familie, und mein Hobby ist eben Sport.“ Matthias Kittmann, Karlstad
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen