: Der Meistersurfer auf dem Hackbrett
■ Der Hackbrettvirtuose Remo Crivelli aus der Schweiz spielt an zwei Abenden mit Lokalmatadoren der Bremer Jazzszene und wird bei einem der Auftritte vielleicht als Jimi Hendrix seines Instruments in die Geschichte eingehen
Den großen, dreieckigen Koffer mit seinem Instrument rollt er auf einem Skateboard in der Gegend herum – schon der erste optische Eindruck lässt ahnen, dass Remo Crivelli ein pfiffiger und eigensinniger Musiker ist. Und auch die Klischees sollte man bei ihm ganz schnell vergessen: Auch wenn er als Schweizer das Hackbrett spielt, und man sich dabei sofort Appenzeller Trachtenkapellen vorstellt, ist seine Musik alles andere als urig. Stattdessen spielt er einen oft schwerelos wirkenden, sehr modern und süffig klingenden Popjazz. Aber wie ist er gerade an das Hackbrett gekommen?
Remo Crivelli: Das war wie im Märchen! Ich bin eigentlich Pianist, und einmal im Urlaub in den Tessiner Bergen mit einem anderen Musiker hatte ich wochenlang kein Piano zur Hand, und irgendjemand brachte eine kleine Zither vorbei, auf der ich dann im Duo stundenlang ganz versunken herumgespielt habe.
Danach habe ich lange nach einem ähnlich klingenden Instrument gesucht und bin dann auf das Appenzeller Hackbrett gestoßen, das aber furchtbar schwer zu spielen ist. Schließlich habe ich das vollchromatische Hackbrett gefunden, das gerade vor fünf oder sechs Jahren entwickelt wurde. Mein Instrument ist ein Prototyp: das erste Hackbrett mit Tonabnehmer.
taz: Was fasziniert Sie an diesem eher kuriosen Instrument?
Das Tolle ist, dass ich es frei von allen Traditionen spielen kann, weil es keine Noten, keine Spielschulen gibt. Ich fange irgendwo an, und die Reise hört nie auf. Und zudem ist der Sound so, dass ich und das Publikum beim Spielen oft abheben, das Hackbrett wird da zu meinem emotionalen Surfbrett. Das liegt an den Obertönen. Pro Ton schlage ich ja jeweils fünf Saiten an, und da werden die Obertöne ziemlich stark, außerdem wird durch meine repetitive Spielweise die Musik trancig.
In einem ganz traditionellen Stil spielen Sie das Hackbrett also gar nicht?
Doch. Ich habe vier Jahre lang mit einer Schweizer Zigeunerkapelle gespielt, und ich habe eine ganze CD mit Appenzeller Volksmusik aufgenommen. Und ich musiziere immer noch gerne zuhause bei Festen und Hochzeiten.
Im Grunde machen Sie ja auf Ihrem Instrument das Gleiche wie in den 80er Jahren Andreas Vollenweiler, auch ein Schweizer, auf der Harfe. Ist das ein Rollenmodell für Sie?
Ich kenne den Andreas schon lange, und ich war dabei, als er das erste Mal ganz zaghaft die Harfe mit einer Rockband zusammen spielte. Er war damals ja einmalig mit seiner Musik, New Age gab es noch gar nicht. Es gibt schon Ähnlichkeiten zwischen uns beiden, aber ich spiele mehr auf den Rhythmus konzentriert. Die Harfe fliegt noch mehr, und ich bin auch nicht so engelhaft wie der Andreas.
Reisen Sie öfter alleine mit Ihrem Hackbrett in eine fremde Stadt, um dort mit lokalen Jazzmusikern aufzutreten?
Nein, das ist eine absolute Uraufführung. Eigentlich wollte ich nur nach Bremen kommen, um meinen alten Freund, den Klarinettisten und Saxophonisten Bernd Schlott zu besuchen. Aber da kamen wir auf die Idee, dass man hier ja auch gut zusammen Musik machen könnte.
Die Konzertreihe „Who's Uncle Mo“ im Moments eignet sich ideal für solch ein Experiment. Sie spielen eine Mischung aus Weltmusik, Pop, Jazz und Rock, und wenn Sie einen Tonabnehmer an Ihrem Hackbrett haben, könnten Sie ja eigentlich auch mit Verzerrer oder sogar einem WahWah-Pedal spielen. Möchten Sie der Jimi Hendrix des Hackbretts werden?
Das habe ich bei einigen Stücken schon versucht: ich habe den Mund schon fast am Hackbrett gehabt. Live habe ich so noch nie gespielt, aber vielleicht wäre das hier eine gute Gelegenheit.
Fragen: Wilfried Hippen
Remo Crivelli spielt mit Bernd Schlott (sax), Peter Apel (g), Ralf Stahn (b) und Dieter Gosischa (dr) am Mittwoch um 21.30 Uhr im Moments und am Donnerstag um 20 Uhr in der MIB, am Buntentorsteinweg 112.
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