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Archiv-Artikel

Der Mann für aussichtslose Fälle

Michael Schindhelm hat schon drei Theater völlig umgekrempelt. Jetzt soll er die Berliner Opernkrise lösen

Während seine frühere Bürokollegin Angela Merkel um ihre politische Zukunft rang, vernahm der Diplom-Quantenchemiker Michael Schindhelm eine ungleich freudigere Nachricht aus der Hauptstadt: Der 44-jährige Intendant des Theaters Basel soll erster Generaldirektor der neuen Berliner Opernstiftung werden.

Zwei Jahre lang, von 1984 bis 1986, teilte sich Schindhelm mit Merkel das Arbeitszimmer in der Ostberliner Akademie der Wissenschaften. Später gingen die beiden Naturwissenschaftler getrennte Wege. Merkel geriet als Umweltministerin in die Politik, Schindhelm arbeitete als Dramaturg und wurde 1990 Theaterintendant im heimischen Nordhausen. Der vormalige Freiberufler musste plötzlich 350 Mitarbeiter in eine höchst ungewisse Zukunft führen.

Nicht anders als die spätere CDU-Chefin bewies Schindhelm die Fähigkeit, die Probleme von ihrem Ende her zu denken. Dass die üppige Theaterlandschaft des Ostens nur mit harten Schnitten zu bewahren sei, war ihm früh klar. Während andere bloß den Niedergang bejammerten, suchte er die Ensembles durch Fusionen zukunftsfest zu machen. Erst in Nordhausen und Sondershausen, später in den ostthüringischen Städten Gera und Altenburg.

Aber nicht nur ökonomisch, auch ästhetisch gelang Schindhelm die Modernisierung der Provinzbühnen – ein Doppeltalent, das ihn 1996 auf den Chefposten des renommierten Dreispartenhauses in Basel katapultierte. Auch dort realisierte der Intendant, der nebenher noch Bücher schrieb, gegen starke Widerstände eine Radikalreform: Zugunsten des modernen Tanztheaters entließ er das klassische Ballettensemble, sein neuer Operndirektor Albrecht Puhlmann schockte die angestammten Abonnenten mit skandalträchtigen Inszenierungen.

Im Vergleich zu der Herausforderung, die in Berlin auf Schindhelm wartet, nehmen sich die Kämpfe in Basel oder Thüringen freilich eher harmlos aus. Das zeigen schon die Umstände seiner Berufung. Erst räumte Kultursenator Thomas Flierl (PDS) den einzigen Gegenkandidaten mit einer dubiosen Intrige beiseite, an der sich sogar ein hauptstädtischer Feuilletonist beteiligte. Dann schoss die Regierungspartei SPD ganz heftig gegen Schindhelm – und berief sich dabei auf Stasi-Vorwürfe, die schon in Basel eine eigens eingesetzte Kommission entkräftet hatte.

Jetzt soll Schindhelm die selbstherrlichen Intendanten der drei hauptstädtischen Opernhäuser bändigen, deren Unwille zu wirtschaftlicher Kooperation nur von der Vorliebe zu muffiger Ästhetik übertroffen wurde. Mit höchst unklaren Kompetenzen soll er die Häuser obendrein zu Einsparungen bewegen, die selbst unter Experten als kaum realisierbar gelten. Und das alles in einer lokalpolitischen Szene, die auf Schindhelms Scheitern schon begierig zu warten scheint. Da geht es dem neuen Generaldirektor kaum anders als seiner Exkollegin Merkel. RALPH BOLLMANN