Der Lobbyist der Woche: Hoppla, jetzt komm’ ich
Kürzlich wurde Raed Saleh (Foto) mit traumhaften 92 Prozent zum SPD-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Abgeordnetenhaus wiedergewählt. Trotzdem scheint eine alte Schmach an ihm zu nagen: Bei der Urabstimmung der Berliner SPD über die Wowereit-Nachfolge 2014 hatte er nur den dritten – und letzten – Platz belegt, hinter Jan Stöß und Michael Müller. Letzterer wurde Regierender Bürgermeister und kegelte inzwischen auch Stöß aus der Parteispitze. Saleh dagegen blieb, was er war. Damit ist er offenbar sehr unzufrieden.
Also schrieb er einen Brandbrief, den er vor einigen Tagen im Berliner Tagesspiegel veröffentlichte. Darin trommelt er für eine bessere Sozialdemokratie („Wir müssen die linke Veränderungspartei sein, die die Mittelschichten und die Abgehängten repräsentiert“), fährt aber auch eine nur minimal als Selbstkritik getarnte Attacke: „Klaus Wowereit hat es mit seiner menschlichen Art lange geschafft, diese Kluft zu überbrücken, im letzten Jahr ist uns das nicht genug gelungen.“ Im letzten Jahr heißt: unter Michael Müller.
Klarer kann man sich nicht als Rivale in Stellung bringen. Nur wozu? Die SPD hat immerhin nicht verloren, Müller darf noch etwas bleiben. Sonst wäre vermutlich Saleh zum Zuge gekommen. So aber kann er vorerst nur aus dem Off gegen Müller keilen – und vorsorglich die eigene Versiertheit in Sachen Rot-Rot-Grün loben, woran jener sich gerade versucht („Es ist kein Geheimnis, dass ich schon 2011 eine solche Konstellation für sinnvoll hielt und sie in meinem Heimatbezirk Spandau durchgesetzt habe“).
Nun also, da Jan Stöß nach dem rasenden Hütchenspiel der letzten Jahre an der Berliner SPD-Spitze aufgegeben hat, sind es nur noch zwei. So viel ist klar: Raed Saleh hat nicht vor, es ihm gleichzutun. Johanna Roth
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