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Archiv-Artikel

Der Letzte macht die Türe zu

Weil sich Betreiber und Vermieter überworfen haben, steht mit dem Neuen Broadway das letzte Programmkino des Stadtteils St. Georg vor dem Ende

von Daniel Wiese

Das Objekt, an dem sich die Geister scheiden, liegt äußerst unauffällig neben dem Hauptbahnhof, im Windschatten des großen, leeren Hachmannplatzes. „Neues Broadway? Wo ist das noch mal?“, fragen Leute, die sich im Stadtteil St. Georg nicht auskennen. Manche denken auch, das Neue Broadway sei eines der vielen Sexkinos, die man um den Hauptbahnhof findet.

Dabei sind die Zeiten, als das Neue Broadway noch „Parisienne“ hieß, längst vorbei. Seit Jahren bemüht sich das Kino um ein gutes Programm, Filme wie Bowling for Columbine laufen dort über viele Wochen.

Daneben finden im Neuen Broadway auch solche Filme einen Platz, die bei den großen Verleihfirmen überhaupt nicht auftauchen. An Sonntagen etwa reist regelmäßig die indische Community an, um Bollywoodfilme zu sehen. Familien im Sonntagsstaat stehen dann im Foyer, und im Kinosaal wird der Sound auf Discolautstärke gedreht, damit die Gesangseinlagen besser rüberkommen.

Noch vor wenigen Jahren gab es im Stadtteil St. Georg sechs Kinos. Das Neue Broadway ist als Einziges übrig geblieben. Bis jetzt. Denn wie es aussieht, könnte auch dort bereits Ende März Schluss sein. Der Vermieter, eine Tochter der stadt-eigenen Immobilienfirma Sprinkenhof AG, will den Mietvertrag nicht verlängern. „Wir arbeiten mit diesem Mieter nicht weiter zusammen“, sagt Karl-Heinz Ehlers, der Chef der Sprinkenhof AG.

Viel mehr möchte Ehlers, der daneben auch kulturpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion in der Hamburger Bürgerschaft ist, zu diesem Thema nicht sagen. Er soll geplant haben, heißt es andernorts, das Kino durch ein Spielcasino zu ersetzen, dessen Einnahmen der Stadt Hamburg womöglich willkommen wären.

Doch das sind unbestätigte Gerüchte. Fest steht lediglich, dass der Betreiber des Broadway-Kinos, Lutz M. Stübs, vor zwei Jahren in Zahlungsrückstand geriet. Er hatte sich mit Immobilienspekulationen verzockt und konnte das Geld für die Miete nicht mehr auftreiben. Die Sprinkenhof AG ließ das Kino darum im April 2002 für 14 Tage schließen, wogegen Stübs klagte – mit Erfolg.

Seit diesem Vorgang scheint das Verhältnis zwischen den Parteien zerrüttet zu sein. Lutz M. Stübs beteuert, die Mietrückstände seien längst beglichen, und zwar von der Firma Hansa Bowling, die seinem Vaters gehört. Auf diese Firma laufe inzwischen auch der Mietvertrag, er selbst stecke finanziell nicht mehr drin. „Wenn Herr Ehlers mit mir keine Geschäfte mehr machen will, kann ich das ja verstehen“, sagt Stübs. „Aber die Firma meines Vaters ist über jeden Zweifel erhaben.“

Der Streit zieht in St. Georg weite Kreise. Die Bürgerversammlung des Bezirks hat mit den Stimmen aller Parteien einen Beschluss gefasst, in dem sie fordert, das Kino zu erhalten. Auch der Bürgerverein St. Georg hat sich wiederholt zu Wort gemeldet. „Wenn das Kino geht, fehlt ein Stück Kultur“, sagt Vereinsvorsitzender Helmut Voigtland.

Auch die SPD hat das Thema im Wahlkampf für sich entdeckt und veranstaltete vergangenen Donnerstag vor dem Kino eine Protestaktion. „Wir fordern die Sprinkenhof AG auf, alle Schritte für den Erhalt des Broadways zu unternehmen!“, heißt es in dem dabei verteilten Flugblatt.

Vielleicht wirkt der breite Protest ja doch noch, und der Vermieter hat ein Einsehen. „Wir arbeiten daran, das Kino zu erhalten“, erklärte Sprinkenhof-Chef Ehlers gegenüber der taz hamburg. „Aber mit einem anderen Betreiber.“ Wo er den hernehmen will, sagte er nicht. Die Geschichte bleibt jedenfalls spannend.