: Der Krampf um die Krähen
Tierschützer und Landesregierung hacken sich wegen eines Symposiums gegenseitig fast die Augen aus
Viel Blut ist schon wegen Corvus Corone geflossen. In Kiel attackierten die überaus klugen Krähen unlängst Patienten eines Krankenhauses, weil sie sich beim Brüten gestört fühlten – wie in Hitchcocks „Die Vögel“. Noch brutaler gingen da nur die Jäger im Landkreis Leer mit den schwarzen Pechvögeln um. 5.057 Rabenkrähen und 526 Elstern wurden dort im vergangenen Jahr mit einem gezielten Schlag auf den Hinterkopf getötet. Im Rahmen eines Versuchs will das Landwirtschaftsministerium so untersuchen, ob die Corvus-Populationen schuld am Verschwinden von Feldhase, Rebhuhn und Kibietz sind.
Derzeit schlagen sich Gegner und Befürworter des Projekts derart die Köpfe ein, dass man fast davon sprechen könnte, Tierschützer und Niedersachsens Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) hackten sich gegenseitig die Augen aus. Eigentlich sollten beide Seiten heute bei einem wissenschaftlichen Fachgespräch im Landwirtschaftsministerium über Für und Wider der Aktion sprechen, die vom Land mit 64.000 Euro bezuschusst wird. Allerdings sagten Naturschutzbund Nabu und der Deutsche Tierschutzbund kurzfristig ab. Der geplante Ablauf und die Teilnehmerliste ließen darauf schließen, „dass die Veranstaltung keinen ergebnisoffenen Dialog“ ermögliche, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Minister Ehlen habe sich längst auf die Fortsetzung des Rabenmordes festgelegt und „will nur Anregungen und Bedingungen hören, mit denen er das Vorhaben ab August fortsetzen kann. Damit ist der so genannte ,wissenschaftliche Diskurs‘ eine Farce“, ätzte Tierschutzbund-Präsident Wolfgang Apel, der den Minister bereits als „Vogelmörder“ bezeichnet hatte. Schon seit Monaten hatte die Krähentötung für Wirbel gesorgt. Es geht dabei nicht nur um die toten Tiere, sondern auch um die zwei mal drei Meter großen Fallen, in denen die Tiere gefangen wurden. Da sie europaweit verboten sind, hat das Institut für Wildtierforschung an der Tierärztlichen Hochschule Hannover eine Sondergenehmigung erhalten. Gerne verbreiten die Tierschützer, dass der wissenschaftliche Leiter der Studie, Klaus Pohlmeyer, gleichzeitig Chef der Landesjägerschaft ist. Sie vermuten zudem, die jägerfreundliche CDU-geführte Landesregierung wolle die Fallen mit der Studie wieder salonfähig machen.
Es seien heute „renommierte Ornithologen geladen, die bislang noch nicht Stellung zum Thema genommen haben“, verteidigt sich Ehlens Sprecher Gert Hahne. Nabu-Landeschef Hans-Jörg Helm schäumt: Für jeden Teilnehmer des Symposiums seien nur drei Minuten Sprechzeit eingeplant. Helm: Das sei kein „breiter wissenschaftlicher Austausch“, sondern eine reine „Showveranstaltung“.
Kai Schöneberg