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Der Kapitalbomber

Hartmut Bitomsky dokumentiert die Geschichte des Kampfflugzeuges B-52 (Forum)

Hartmut Bitomsky ist als nüchterner Filmemacher bekannt, der nicht experimentiert, sondern Aussagen trifft. So hat er schon 1985 für „Reichsautobahn“ Archivmaterial der Nazis passgenau zusammenmontiert, um zu belegen, dass „die Autobahn ohne Bilder nicht möglich gewesen wäre“.

Dass er „B-52“, seine Dokumentation der Geschichte des größten US-amerikanischen Kampfflugzeuges, überhaupt drehen konnte, liegt indessen am politischen Wohlwollen der Clintonregierung. Es gibt nichts zu verlieren momentan, nicht mal Geheimnisse: Nach Beendigung des kalten Krieges sind die USA, wie der Offizier eines Kampfgeschwaders sagt, auf „Global Power Mission“. Eine Position, die man vor allem der B-52 verdankt.

Für Bitomsky steht das fliegende Schlachtschiff zudem als Metapher „für die unermessliche Macht, technische Kapazität und Produktivität einer Nation, die den Großteil des Surplus, das von der Volkswirtschaft, der Arbeit und der Intelligenz erzielt wird, in die Militärmaschine steckt“. Nur wie soll man das zeigen? Wie führt man vor, dass sich im Glauben an Waffen das Verhältnis zur Ökonomie spiegelt?

Zunächst einmal mit Fakten. Als das Flugzeug in den Vierzigerjahren entwickelt wurde, nahm es die komplette Aluminiumproduktion der USA in Anspruch. Ein Prototyp kostete 12 Millionen, in Serie etwa sechs Millionen Dollar, das ist der Gegenwert zu „6.000 Chevrolets“, wie ein General im Interview von damals verkündet. Insgesamt wurden über 700 Maschinen gebaut – 4.200.000 Luxusautos weniger in Zeiten der Mobilisierung. Natürlich kommt es zur Katastrophe: Zehn Jahre später fallen über Spanien versehentlich Atombomben aus einer B-52, von denen eine Radioaktivität freisetzt. Die USA schicken Spezialeinheiten, die 5.000 Behälter mit verstrahltem Sand back home holen; heute lagert praktisch ein kompletter spanischer Strand irgendwo in Arizona.

Was in der Frühzeit der B-52 noch an schwarzweiß gefilmte Akte-X-Anekdoten erinnert, wird mit Vietnam zum Kriegsalltag. Bitomsky zeigt in Luftaufnahmen, wie die Flächenbombardierung das Gebiet um Hanoi in eine Kraterlandschaft verwandelt hat. Auch hier ist die erfolgreiche Vernichtung von über zwei Millionen Tonnen Bomben pro Maschine der ungeheuren Tragfähigkeit der einzelnen Flugzeuge zu verdanken, die jeweils an die 100 Einsätze hatten. Demnach war Vietnam auch ein Höhepunkt der Zerstörung von US-Kapital, darin dürften sich Marxisten und alle anderen Ökonomen einig sein.

Geschickt wendet Bitomsky nun den Blick in die Gegenwart. Dort angekommen, entpuppt sich die B-52 als träger Saurier einer Epoche vor Star Wars und Stealth Fightern. Heute sind vier Arbeiter mit der Entsorgung einer Maschine beschäftigt, für deren Bau gut 1.000 Fachkräfte nötig waren. Stattdessen läuft das Geschäft mit Recycling: Mit den Innereien einer B-52 kann man Militariasammler oder Tauchfreaks glücklich machen, selbst Flugzeugreifen lassen sich als Schutzpuffer für Fischkutter verkaufen. Bitomsky schaut dieser, wie er sagt, „Materialsicherung“ ruhig mit der Standkamera zu; manchmal hakt er nach, wenn er den Widerspruch zwischen Schrottverarbeitung und Schrottverehrung nicht mehr versteht. Am Ende weiß er allerdings, dass es ein Irrtum ist zu glauben, man könne „manche Probleme nur mit einem großen Knall lösen“. Auf diesen Knall warten die USA dennoch bis 2037. Dann wird die letzte B-52 eingeschmolzen. Für neue Bomber, vermutlich. HARALD FRICKE

„B-52“; Regie: Hartmut Bitomsky, Deutschland/USA, 122 Min.

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