: Der Herr von der GSG 9
Der erste Auftritt eines GSG-9-Beamten im Hogefeld-Prozeß brachte wenig Erhellendes ■ Aus Frankfurt Gerd Rosenkranz
Ebenso unspektakulär wie unergiebig verlief gestern der mit Spannung erwartete, erste öffentliche Auftritt eines an der fehlgeschlagenen Anti-Terror-Aktion von Bad Kleinen im Sommer 1993 beteiligten GSG-9-Beamten. Der Zeuge im Prozeß gegen Birgit Hogefeld erschien vor dem OLG Frankfurt mit Anwalt und im Siebziger-Jahre-Outfit: sorgfältig maskiert mit Bart, Perücke und dunkelrandiger Brille aus der Requisitenkammer des Bundeskriminalamts. Zur Wahrheitsfindung trug der Beamte mit der Legendierung „Nummer 4“, der die Angeklagte in der Bahnhofsunterführung festgenommen hatte, bevor oben die Schießerei einsetzte, nichts Erhellendes bei.
Die Aussagegenehmigung für den Herrn von der GSG 9 blieb eingeschränkt auf den eigentlichen Festnahmevorgang. „Taktische Einsatzvarianten der GSG 9 gefährdet“, sahen Gericht und Bundesanwaltschaft schon bei der Frage, ob „Nummer 4“ ein Funkgerät in der Hand trug oder nicht. Gericht und Bundesanwaltschaft blieben bei ihrer Linie, daß im Hogefeld-Prozeß weder die Todesumstände des GSG-9-Beamten Michael Newrzella interessieren, noch die des Hogefeld-Begleiters Wolfgang Grams. Wegen der Tötung von Newrzella steht Hogefeld unter Mordanklage.
Birgit Hogefeld wies vor dem Zeugenauftritt erstmals ausführlich den Vorwurf der Anklage zurück, es habe in der RAF auch noch 1993 eine Absprache gegeben, wonach in Festnahmesituationen der Fluchtweg mit gezielten Schüssen freigeschossen werden könne. „Diese Behauptung ist falsch“, sagte die Angeklagte, „Eine solche Absprache hat es nicht gegeben.“ Die RAF habe die Deeskalationserklärung von 1992 mit dem Ziel veröffentlicht, „daß diese Auseinandersetzung keine weiteren Todesopfer fordern sollte“. Diese neue Linie dokumentiere auch der Sprengstoffanschlag auf den Gefängnisneubau von Weiterstadt im März 1993, bei dem niemand gefährdet worden sei.
Im Zusammenhang mit dem Verzicht auf tödliche Anschläge habe die Gruppe auch über die Bewaffnung und das eigene Verhalten in Festnahmesituationen neu diskutiert. Ergebnis: Man blieb weiter bewaffnet, um sich im Notfall durch Drohen mit der Waffe und durch Warnschüsse der Festnahme entziehen zu können, aber nicht, um zu töten. „Oberstes Ziel nach 1992 war, unser Leben und das Leben anderer nicht zu gefährden“, versicherte Hogefeld.
Gegenseitig machten sich Hogefeld und der Anklagevertreter Walter Hemberger für die vergiftete Atmosphäre verantwortlich, die den Prozeß seit November 1994 geprägt hatte. „Wir wollten alles unterlassen, was nach Fortsetzung der Rituale der siebziger und achtziger Jahre aussehen könnte“, sagte Hogefeld. Das Gericht habe jedoch alle ihre Vorurteile bestätigt. Bundesanwalt Hemberger gab allein der Verteidigung die Schuld an den gegenseitigen Anfeindungen und fügte gleich noch ein vorgezogenes Kurzplädoyer an: „Ich bin nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme überzeugt, daß sie an allen Taten, die angeklagt sind, beteiligt waren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen