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Der Gummiknüppel ist nicht für die Polen...

■ Eindrücke und Erfahrungen eines Anwohners der Kantstraße in Charlottenburg / Wer sind die wirklichen Chaoten?

Mein Hausmeister ist kein Freund der Polen, die seiner Meinung nach „überall nur jede Menge Dreck“ hinterlassen. Mein Hausmeister - den man auch nicht unbedingt einen Feund der deutschen Grammatik nennen würde - sorgte denn auch schon bald nach Beginn des polnischen Ansturms auf die benachbarte Aldi-Filiale für einen Aushang in unserer Toreinfahrt: „Bitte das Tor schließen! Die Polen gehen im Hof und lungern an den Autos herum.“ Das Gebot wird von den Hausbewohnern ohne Ausnahme mit vorher nie erreichter Folgsamkeit und peinlichster Korrektheit befolgt.

Ja, ich wohne in der Charlottenburger Kantstraße, das heißt - pardon - sie wird neuerdings „Warschauer Allee“ gerufen. Die Straße ist ins Gerede gekommen, seitdem polnische Bürger sie wegen der direkten S-Bahnanbindung an die Filialen der Aldi-Kette und wegen der zahlreich neueröffneten Import/Export-Läden als Einkaufs-Eldorado entdeckt haben. „Kantstraße vor dem Kollaps“, meldet mein lokales Anzeigenblatt. Das SFB-Fernsehen und sogar die Hamburger 'Zeit‘ widmeten der Geschäftsstraße und ihren neuen Käufern ihre Aufmerksamkeit. Erregte Anwohner, Geschäftsleute, die um ihre Umsätze fürchten und „mehr Polizei“ rufen (oder die anderen, die sich über ihre Gewinne freuen), junge Burschen, die aus ihrem vorbeifahrenden BMW heraus lautstark „Dreckspolen“ in Richtung Bürgersteig grölen: Die aufgeheizte Stimmung in der Kantstraße widerlegt derzeit augenfällig das rot-grüne Wunschdenken einer multikulturellen Gesellschaft in einer zukünftigen Ost-West -Metropole Berlin.

Es heißt, die Polen rempelten und seien unfreundlich. Man sagt, sie nächtigen in den Innenhöfen und urinierten in den Hauseingängen. Ich kann die Vorwürfe weder bestätigen noch widerlegen, weil ich dergleichen bislang nicht habe beobachten können. Sicher, es ist eng geworden auf den Bürgersteigen, seit die Polen mit schwerbepackten Reisetaschen, Rucksäcken und Handkarren mit gleich mehreren Radio- oder Videorecordern die Straße herauf- und herunterziehen. Ich selbst bin jedoch noch kein einziges Mal angerempelt worden und kann mich auch an keinen unfreundlichen polnischen Passanten erinnern. Statt dessen blicke ich in verschlossene und ängstlich-unsichere Gesichter, die, versuche ich auch nur einen noch so kurzen Blickkontakt herzustellen, sich sofort irritiert abwenden. Und in Relation zu den Menschenmassen registriere ich einen nur geringen Anstieg des Straßenmülls. (Wo, Herr Stadtrat Heinrich, bleiben denn die zusätzlichen Abfallkörbe und WC -Container?)

Auf dem Bürgersteig vor Aldi patroullierte nun gelegentlich ein junger Mann vom Wachschutz. Mit stummer Gestik und ungelenken Armbewegungen bedeutete er von Zeit zu Zeit der polnischen Warteschlange, sich näher an die Fensterfront des Ladens zu drücken. Am Handgelenk des eher schmächtigen jungen Mannes in blauem Wachschutz-Jackett baumelte ein etwa 40 Zentimeter langer, schmaler Gummiknüppel. Gab es gerade nichts zu „ordnen“, stand er mit hinter dem Rücken verschränkten Armen am Straßenrand und ließ den Knüppel (autoritär? provokativ?) locker durch die Luft pendeln. Schließlich faßte ich den Mut und fragte den jungen Mann, ob denn das wirklich notwendig wäre, das mit dem Knüppel.

Ja, sagte er und gab mir eine Antwort, mit der ich nicht gerechnet hatte. „Ja, mit denen da“ - er deutete auf die wartenden Polen - „komme ich gut zurecht. Die sind ruhig, die machen Platz, die pöbeln nicht. Aber ab und zu habe ich hier ein paar betrunkene Deutsche, Chaoten, die hier pöbeln.“ Letzten Freitag habe er eine Schlägerei gehabt, und für solche Fälle brauche er dann einen Knüppel. Daß er hier sei, sei ja auch nur eine Vorsichtsmaßnahme von Aldi.

Und schon beginnt das nächste Kapitel der Geschichte: Beim Markteinkauf auf dem Karl-August-Platz sah ich unlängst, wie ein Händler einen etwa 14jährigen Jungen dunkler Hautfarbe mit mächtiger Stimme niederbrüllte: „Hau sofort ab! Geh lieber arbeiten statt Leute anzubetteln.“ Der Händler blickte sich um und erhielt von den Umstehenden schmunzelnde Zustimmung für seinen Ausbruch...

Ralf Zünder

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