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Der Gratwanderer

■ Schnodrig und sentimental: Duane Jarvis gastiert mit seinen gepflegten Roots-Klängen im Trio zum ersten Mal in Hamburg

Von wegen: Generationenkonflikt. Sein Dad höchstpersönlich war es, der den gerade mal zehnjährigen Duane Jarvis samt Brüdern Brian und Kevin in seine erste Rock'n'Roll-Show mitnahm. Und es war nicht irgendeine Rock'n'Roll-Show. Es waren Little Richard und Bo Diddley, die da markerschüternd schrien und den hipshake zelebrierten. „I was forever da-maged“, schreibt Jarvis noch heute in den Linernotes zu seinem aktuellen Mailorder-Only-Album Combo Platter. Besonders sei ihm in Erinnerung geblieben, wie Richard die Show immer wieder unterbrach, um der aufgepeitschten Menge zuzurufen: „Shut up! I'd rather do it myself!“ Ein leises Erstaunen darüber, welche Emotionen Musik freisetzen kann, schwingt selbst heute noch im Oeuvre von Duane Jarvis wieder.

Änlich wie etwa das Gespann Julie & Buddy Miller gehört der Mann aus Astoria, Oregon zu den Protagonisten einer Songwriter-Szene in Nashville, die sich nicht vom Mainstream-Country-Geschäft domestizieren lassen will, dabei aber die Tür zur businessfixierten Music Row noch einen Spalt offen lässt, um gelegentlich zu eigenen Konditionen hindurchschlüpfen zu können. Was in der Regel dann passiert, wenn sich die besseren der zig Songs, die da in der Luft liegen, doch mal ins Repertoire der etwas mutigeren Interpreten verirren. So darf sich Jarvis über den anständigen Tantiemenscheck freuen, den er einmal im Jahr für „Still I Long For Your Kiss“ bekommt. Die Sehnsucht definierende Ballade schrieb er gemeinsam mit Lucinda Williams für den hochkarätig besetzten Pferdeflüsterer- Soundtrack.

Spätestens in der Band von Williams war D.J. (so sein Kürzel) als Gitarrist aufgefallen, zuvor zählte er schon den stilbewussten Country-Traditionalisten Dwight Yoakam und den Spötter John Prine zu seinen Arbeitgebern. Sein Solo-Debüt D.J.'s Front Porch konnte er 1994 veröffentlichen – im selben Jahr siedelte Jarvis nach Nashville über, nach 11 Jahren in Los Angeles, wo er sich nicht selten als „Gefangener des Freeway“ fühlte. In Tennessee ist Jarvis nun auch den Roots näher, die seine Musik – neben frühem Rock'n'Roll – prägten, den Southern Sounds aus Memphis, Muscle Shoals/Alabama und New Orleans. Die bes-ten Songs seines letzten, regulären Studioalbums Far From Perfect verschmelzen denn auch coole R'B-Schnodrigkeit mit dem sentimental infizierten Verlangen der Soul&Country-Schule.

Ob er den Plattenbossen in Nashville damit „gehörig Angst einjagt“ (Veranstalter-Info), möchte ich mal bezweifeln. Doch Freunde gehobener Roots-Klänge sollten den Weg an die Brandstwiete finden, wo Du-ane Jarvis in Trio-Besetzung erstmals in Hamburg gastiert. Jörg Feyer

Mo, 8. November, 21 Uhr, Knust

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