Der Fortsetzungsroman: Kapitel 11: Ein eiliger Kunde
Was bisher geschah: Jenny und die Blipiden haben den Silvesterbeschuss im Viktoriapark gut überstanden.
Wenn ihr Marshmallows braucht, dann solltet ihr anstelle von Geld einfach Marshmallows verlangen.“
„Geld?“, fragte Professor Phäno und betrachtete die kleine Sammlung von Krippenfiguren und Feuerwerkskörpern, die er in einer Ecke angelegt hatte.
„Ja, das, was wir alle brauchen hier auf diesem Planeten. Wenn ihr etwas braucht, müsst ihr bezahlen. Eine gesunde Niere kostet. Ein Gotteskind kostet. Ein Kopierer kostet: Hier die Ware, da das Geld.“
FP Chi hüstelte: „Richtig. Bezahlen nennt ihr das.“
„Kreditbasierte Glasperlenkultur“, sagte Professor Median und kritzelte etwas auf sein blaues Clipboard.
„Und eure Glasperlen sind die Marshmallows“, sagte Jenny.
„Das geht?“, fragte C2H5OH.
„Hier gab es schon fast alles“, sagte Jenny. „Anarchistisches Knochengeld, Prenzltaler, Wannseekreuzer, Charlottenrubel. Eine Kopie für ein kleines Marshmallow, fünf Kopien für ein großes Marshmallow. Sieht nett aus und schmeckt gut. Mehr braucht man in Mitte nicht.“
„Apropos Mitte“, sagte FP Chi. „Wo ist hier die Rchrzzzztrzkskrzstraße?“
„Wie heißt die Straße?“, fragte Jenny.
„Oder so ähnlich“, sagte FP Chi. „Wir haben einen Funkspruch von meinem Supervisor erhalten, dass es in der Rchrzzzztrzkskrzstraße in Mitte ein anderes Raumschiff geben soll.“
„Eine Straße mit R in Mitte, das müsste sich ja herausfinden lassen“, sagte Jenny. „Hier gegenüber ist zum Beispiel die Rosenthaler Straße. Vielleicht wollen die Herren Professoren diese Straße ja einmal ganz unauffällig in weißen Laborkitteln und Sonnenbrillen inspizieren. Vielleicht finden sie ja das Raumschiff.“
„Eine gute Idee, Hel…helles Köpfchen, Jenny“, sagte Professor Median. „Wir nehmen Major Canis mit, falls wir noch einen Kopierer finden.“
Hinter Jennys Rücken schüttelte FP Chi heftig den Kopf und legte den Finger an den Mund.
„Falls wir in ein Handgemenge geraten“, sagte Professor Phäno schnell und schraubte den rosa Deckel auf sein Sammelgefäß. Als die beiden Wissenschaftler zusammen mit dem schwanzwedelnden Major Canis das Kopyshop verlassen wollten, wurden sie beinahe von einem kleinen Mann umgerannt, der mit einem Stück Papier wedelte.
„Dringend, es ist dringend. Kopien, ich brauche. Meine Presseerklärung. Jetzt! Sofort!“
C2H5OH deutete eine Verbeugung an. „Zu Ihren Diensten, ehrwürdiger Kunde.“ Er drückte den grünen Knopf. „Können wir vielleicht etwas für Sie schreddern, während Sie warten, bis der Kopierer betriebswarm ist?“
Der Gast strich sich über den graumelierten Scheitel und rückte sich die schräg gestreifte Krawatte zurecht: „Nein! Ich muss sofort! Ich warte schon so lange. Alle warten schon so lange.“
Der Kopierer piepte. „Zu Ihren Diensten“, sagte C2H5OH. Kurze Zeit später umkrallte der Kunde einen kleinen Stapel. Er steckte C2H5OH einen Geldschein in die Brusttasche des Overalls. „Stimmt so“, rief er und rannte zur Tür hinaus.
„Nicht besonders sexy, dieser Typ, aber offenbar reich“, sagte FP Chi.
Jenny schüttelte den Kopf: „Der Schein trügt.“
„Er hat seine Vorlage vergessen“, sagte C2H5OH.
„Was ist es denn?“, fragte Jenny.
C2H5OH las vor: „Über die bisher vorgelegten Zeitpläne hinaus gebe ich Ihnen, gebe ich den Bürgerinnen und Bürgern des Landes Berlin und der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort, dass der Flughafen Berlin Brandenburg spätestens, wirklich allerspätestens am eröffnet werden wird.“
„Wann?“, fragte Jenny.
„Das Datum fehlt“, sagte C2H5OH. „Sieht aus wie durchgestrichen, überschrieben, noch mal durchgestrichen, mit einer weißen Flüssigkeit ausgebessert und wieder durchgestrichen. Dann war kein Papier mehr da. Wo das Datum stehen sollte, ist nur ein kleines Loch.“
„Dieses Dokument will Professor Phäno bestimmt archivieren“, sagte Jenny. „Wenn der Typ nicht zurückkommt.“
„Glaube nicht, dass der zurückkommt“, sagte FP Chi und kratzte sich am Dutt. „Der sah aus wie auf der Flucht.“
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