: Der Fluch der Trüpel-Millionen
■ Kulturdeputation blockiert Pläne der Senatorin / Detmar Leo (SPD): „Schmerzensgeld gibt es nicht“
O Jegerl, hat es sowas schon einmal gegeben? Mit einer Liste von 32 Projekten trat die Kultursenatorin Helga Trüpel am Freitag vor ihre Deputation, und die Deputation blähte die Backen, pustete die Vorlage vom Tisch und sprach: „Nein!“ Damit ist die Verwendung der legendären „Trüpel- Millionen“ wieder offen. 14 Millionen Mark waren der Senatorin verheißen worden, als sie ehedem auf die Zuständigkeit für die Jugend hatte verzichten müssen. Daß sie dieses Geld jetzt nach Gutdünken für Saurier-Skelette und Shakespeare-Festivals verwendet, mochte Detmar Leo, für die SPD in der Deputation, nicht einsehen: Er konterte am Freitag mit einem Papier, in dem er die Zustimmung zu den 32 Projekten von der Klärung der acht dicksten Klöpse bremischer Kulturpolitik abhängig macht.
Das Goethetheater hat bekanntlich Schulden, die Jugendmusikschule braucht Stellen, das Schiffahrtsmuseum soll ausgebaut werden, das Focke-Museum desgleichen, eine neue Zentralbibliothek soll her und so weiter. Ehe hier nichts getan ist, will Leo seine Hand nicht von den Milliönchen nehmen. Die CDU stimmte seinem Antrag zu, die FDP war dagegen. Und die Kultursenatorin, nicht faul, ging gestern mit dem Krach vor die Presse.
„Mit großem Erstaunen“ habe sie den Sinneswandel der SPD- Fraktion zur Kenntnis genommen, nachdem doch eine Woche vor der Sitzung Herr Leo in einer Vorbesprechung ihre Liste schon gebilligt habe. „Falsch!“ ruft auf Anfrage der taz Detmar Leo: „Ich habe dort schon Magenschmerzen geäußert!“
Außerdem, so die Senatorin, seien die 14 Millionen „als Kompensation für die Verkleinerung meines Ressorts“ und also ausdrücklich für „zusätzliche Projekte“ vorgesehen worden. „Nein“, ruft auf taz-Anfrage Detmar Leo, „kein Senator kann für sich in Anspruch nehmen, Schmerzensgeld zu bekommen!“
„Unbezahlbare Großprojekte kann man nicht uns allein überlassen“
Schon Anfang März hatte Finanzsenator Kröning seine eiserne Hand auf die 14 Millionen gelegt und die Mitsprache der Koalition reklamiert. Helga Trüpel aber hat das Geld ganz entschieden für „besondere Akzente“ vorbehalten. Nachdem nun der erste kulturpolitsche Koalitionskrach ausgebrochen ist, beharrt die Senatorin darauf, daß es sich bei Leos acht Punkten um altgediente Großprojekte handelt, aus denen schon unter Scherf nix geworden ist, „weil sie im Land Bremen nicht bezahlt werden konnten und können. Das kann man jetzt nicht alleine uns überlassen“.
Auf eine Summe von 178 Millionen Mark, verteilt allerdings auf mehrere Jahre, hat sie genüßlich die Gesamtkosten aller acht Projekte addiert. Sollte es der SPD-Fraktion „gelingen, ihren Finanzsenator zur Zahlung dieses Geldes zu bewegen, so werde ich die erste sein, die sich darüber freut“.
In ihrer Liste waren u.a. 500.000 Mark für ein Frauenkulturprojekt von fünf Jahren Laufzeit vorgesehen, 60.000 für ein Saurierskelett im Übersee-Museum, 300.000 für die Schulden der Bürgerhäuser, 93.000 für die Renovierung des Kontorhauses, 350.000 Mark für Filmförderung und fürs Medienzentrum Walle, welches jetzt doch noch ans Netz geht, und 600.000 für ein internationales Shakespeare-Festival. Detmar Leo allerdings findet, daß die Senatorin „nicht einfach ihre Verantwortung für traditionelle Probleme ablegen kann. Wer im Rathaus sitzt, kann sich doch nicht neben das Rathaus stellen und von 'Altlasten' reden“. Leo will, daß mit dem Geld die ärgsten Löcher „in diesem Mangelhaushalt“ gestopft werden.
Jetzt wird sich der Koalitionsausschuß mit dem Streit befassen müssen. Am 16. Juni tagt sodann zum nächsten Mal die Kulturdeputation. Selbst wenn sie die sagenhaften Trüpel-Millionen, fünf für dieses, neun für nächstes Jahr, am Ende doch noch freigibt, wird der Haushaltsausschuß vor der Sommerpause wohl kaum mehr dazu kommen, das Geld zu segnen. „Dann kann“, so die Senatorin, „mit einer Reihe wichtiger Projekte nicht begonnen werden.“ schak
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