: Der Finanz-Bericht und seine Fälschung
■ Senat streicht im Original-Bericht des Finanzsenators pessimistische Aussagen zur Sanierung
In den nächsten Tagen wird der Finanzsenator seinen „Controlling-Bericht“ über die Lage der bremischen Staatsfinanzen der Bürgerschaft zuleiten. Auf 34 Seiten soll in Text und Tabellen Auskunft darüber gegeben werden, wie das erste Jahr der Sanierung vermutlich enden wird. Auf seiner Sitzung hat der Senat gestern besonders häßliche Stellen aus dem Bericht des Finanzsenators herausgestrichen oder durch Beschönigungen ersetzt. Bevor das frisierte Exemplar in Umlauf kommt, wollen wir deshalb Original und Fälschung nebeneinanderlegen.
„Unveränderlich fraglich“ erscheint es, so die Kernaussage des Finanzsenators, ob von den 1,8 Sanierungsmilliarden, die Bremen in diesem Jahr aus Bonn erhalten hat, wirklich die angepeilte Summe von 328 Millionen Mark für effektive Schuldentilgung übrig bleibt. „Unveränderlich fraglich“ wird in dem frisierten Bericht nicht mehr drinstehen, stattdessen will der Senat an der Stelle lesen, daß „alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um im Jahresergebnis eine Realisierung der angestrebten Netto-Tilgung (328 Mio) zu erreichen“.
Die Skepsis des Finanzsenators rührt daher, daß bis zum 3. Quartel'94 „per Saldo lediglich 113 Millionen zur Schuldentilgung eingesetzt werden konnten“. So steht es im Entwurf des Finanzsenators Fluß. „Ersatzlos streichen“ diesen Satz, beschloß der Senat. Der Finanzsenator hatte diese prekäre Zahl „113“ noch einmal am Ende seines Berichtes untergebracht, Seite 30. Der Senat hat es gemerkt und beschlossen: „Wird gestrichen“.
Das Problem läßt sich in Zahlen auch anders ausdrücken: Die sogenannte „Zins-Steuer-Quote“, das bedeutet der Anteil von Steuereinnahmen, Bundesergänzungszuweisung und Länderfinanzausgleich, die an die Banken zur Schuldentilgung geht, liegt immer noch bei 30 Prozent. Insgesamt steigen die Ausgaben des Bremer Staatshaushaltes um 3,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Finanzplanungsrat hatte für Bund und Länder ein Limit von 3 Prozent vorgeschlagen, Bremen wollte Musterknabe sein und deutlich darunter bleiben. Bei den Einnahmen schlägt zwar die beginnende Konjunktur in Bremen besonders gut zu Buche, da sich aus demselben Grund aber auch die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich verringern, ist der Effekt für den Etat gering.
Immerhin verringert sich damit Bremens Abhängigkeit vom Länderfinanzausgleich ein klein wenig. Dennoch bleibt die Tatsache, daß der bremische Etat sich nur zu 77 Prozent aus eigenen Einnahmen deckt; die Deckungsquote bei den westdeutschen Ländern und Gemeinden liegt dagegen bei 94 Prozent.
Bremens Hoffnung muß deshalb, das sagen die Finanzexperten immer wieder bei allen Sanierungsdebatten, bei den Investitionen liegen, um die „Wirtschaftskraft“ des Landes nachhaltig zu steigern. Insbesondere vor diesem Hintergrund ist es eher problematisch, wenn in dem Controlling-Bericht festgestellt wird, daß bei den Ausgaben die Investitionen hinter dem geplanten Umfang zurückbleiben. Ausgerechnet das „Investitionssonderprogramm“ 94 liegt um 20 Prozent unter den Zielzahlen. Daß die Personalausgaben (insbesondere bei Polizei und Schulen) über dem Soll liegen, daran wird sich nichts mehr ändern. Der Finanzsenator setzt in dieser Lage seine kleine Hoffnung darauf, daß die Ressorts mit ihren Investitionsplänen nicht nachkommen könnten und da am Ende Reste übrigbleiben. „Deutlich gedrosselt“ sei da das Ausgabentempo bei den Investitionen, freut sich Fluß. Daß das allerdings bis zum Jahresende so bleiben wird, sei „vom Finanzsenator nicht zu beeinflussen“. So steht es im Original. Die Bemerkung ist aus zwei Gründen peinlich: Erstens würde der Senat seine Steuerungs-Unfähigkeit eingestehen. Zweitens ist die Hoffnung, den Haushalt durch Einsparungen bei den Investitionen zu retten, das Ende des Sanierungsprogramms.
In der der Öffentlichkeit vorgelegten Version wird die Bemerkung deshalb fehlen: „Wird gestrichen“, beschloß der Senat. K.W.
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