: Der Feind der Freunde
■ In Brian De Palmas Agenten-Film Mission: Impossible kommt sogar der böse Schurke von innen
Feinde finden sich im gegenwärtigen US-Actionkino überall, nur kaum noch dort, wo sie eigentlich hingehören: auf der anderen Seite. In The Rock mit Sean Connery und Ed Harris bekriegen sich seit einigen Wochen US-Soldaten mit US-Soldaten. In Eraser werden in einigen Wochen FBI-Beamte gegen FBI-Beamte um Arnold Schwar-zenegger zu Felde ziehen und in Mission: Impossible kämpfen jetzt CIA-Agenten gegen CIA-Agenten. Hollywood scheint gewillt zu sein, den durch die politische Großwetterlage bedingten Verlust des östlichen Feindbildes innovativ zu kompensieren. Die Amerikaner machen eben jetzt alles selbst und übernehmen auch die Schurkenrollen.
Mission: Impossible ist ein brillanter und mit Atmosphäre (die ersten dreißig Minuten spielen in Prag) und Stil (in einer Nebenrolle tritt Vanessa Redgrave auf) angereicherter Parforceritt durch die modernste Tricktechnik. In einzelnen Szenen sieht Brian De Palmas Film auch aus wie ein gelungener Brian-De-Palma-Film. Was ihn darüberhinaus spannend macht, das sind die Verschiebungen innerhalb des Freund-Feind-Schemas. Mit dem klassischen Agentengenre hat das nur noch bedingt zu tun – auch und vor allem nicht mit der Fernsehserie Kobra, übernehmen Sie, als dessen Remake der Film auftritt.
Um seine Unschuld zu erweisen, muß Tom Cruise als Agent Ethan Hunt den eigenen Lehrmeister und Ziehvater des Verrats überführen. Der Feind kommt also hier nicht mehr von außen (von den Indianern, aus dem Weltraum oder aus einem anderen Gesellschaftssystem). Er steht da, wo jeder gute Amerikaner stets hin will: innen, innerhalb der eigenen Organisation.
Und so ist Mission: Impossible, so international sich der Film auch gibt, zunächst ein Kampf an der amerikanischen Heimatfront. Er handelt von der Selbstreinigung einer US-Organisation – für die etwas naiv die CIA steht. Genausogut könnte man aber auch Amerika im Ganzen einsetzen. Da tobt sich eine ganze Menge Unbehagen an der eigenen universal, aber auch unheimlich gewordenen Macht aus.
Aus welchen Gründen auch immer, jedenfalls mutieren hier – wie auch in The Rock und Eraser – die Helden von gestern, die ehemals besten und treuesten Kämpfer, zu Verrätern. Und Ethan Hunt als Held von heute muß auftreten, um die Verräter zu bestrafen – und zugleich die eigene Organisation auszutricksen.
Denn: Da der Feind innen steht, müssen die Helden von außen agieren. In The Rock steht Sean Connery als Retter von sich aus außen vor, er ist Brite, zudem Gefangener. In Mission: Impossible wird der Agent Ethan Hunt nach draußen gedrängt. Seine eigenen Leute verfolgen ihn unter falschem Verdacht. Rettung allerdings kommt weiterhin nur von innen. Auf der Suche nach dem wahren Schuldigen bricht Hunt in das CIA-Hauptquartier in Langley, Virginia, ein – eine Meisterszene De Palmas.
Innen und außen, das war zu Zeiten des Kalten Krieges klar definiert. Es ist komplexer geworden. Um zu beweisen, daß er ihr zu Recht angehört, muß sich Ethan Hunt seiner eigenen Organisation zum Feind machen, die sich ihrerseits, wenn auch irregeleitet, mit ihren wirklichen Feinden, das heißt ihren ehemaligen Helden, verbündet hat.
So weit, daß die eigene Organisation selbst zum Feind wird, geht Mission: Impossible aber noch nicht. Vielleicht kommt das ja noch. In einem der nächsten Filme des Genres.
Dirk Knipphals siehe Filmübersicht
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