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Der Erde die Ehre erweisen

Ein beeindruckendes Roadmovie und das schöne Porträt einer Generation in Afrika. Einer Jugend, die sich ihrer verlorenen Situation sehr bewusst ist: Die guineisch-französische Koproduktion „L’Immatriculation Temporaire“ im fsk

„L’Immatriculation Temporaire“, „vorübergehende Aufenthaltsgenehmigung“, die guineisch-französische Koproduktion des 35-jährigen Regisseurs Gahité Fofana, erzählt eine einfache, klassische Roadmovie-Geschichte: Der Held, Matthias, ein schöner, kräftiger Mann, der während des ganzen Films nie lächeln wird, nicht weil er besonders cool wäre, sondern weil er sich durchgehend fremd fühlt, ist ein in Paris aufgewachsener Afrofranzose.

Seine weiße Mutter gehörte zu den vielen französischen Ehepaaren, die in Fria (Guinea), in der ersten Aluminiumfabrik Afrikas, arbeiteten. Nach einer Affäre mit einem Schwarzen waren die Eltern zurück nach Frankreich gegangen. Auf der Suche nach seinem leiblichen Vater kehrt Matthias in das Land zurück, in dem er gerade mal sieben Tage lang gelebt hatte. Direkt nach seiner Ankunft wird er vollständig ausgeraubt. Dann lernt er in einer Bar John Tra (-volta!), einen jungen, sympathischen Ganoven kennen, der in seinem Aussehen ein wenig an den Fußballstar Mpenza erinnert. John Tra stellt ihm seine schöne Schwester Rama vor, nimmt Matthias bei sich auf und fährt mit ihm nach Fria, der sterbenden Industriestadt, wo sein Vater wohnen soll. Rama warnt ihn vor ihrem Bruder und gibt ihm ein Sprichwort mit auf seine Suche, das er nicht beachtet: „Katzen wühlen in Mülltonnen, Unvorsichtige fallen hinein.“

Nach verschiedenen Verwicklungenfindet er seinen Vater. Der Vater ist ein verlebter Alkoholiker, der von seinem Sohn zunächst nichts wissen will. „Das war nichts Ernstes“, sagt er über dessen Mutter. Konsterniert und traurig schaut der Sohn. Als Verlorengegangener beschließt er, bei einem Überfall der Gangster um John Tra mitzumachen.

„L’Immatriculation Temporaire“ ist ein beeindruckendes Roadmovie. Die körnigen, angenehm unausgeleuchteteten Bilder guinesischer Nächte stimmen sehnsüchtig; die Schlieren über den rotbraunsandigen Straßen, die Plattenbaubalkone in der Hitze, die schönen Farben der Tücher, die sanfte Haut von Rama, die Bars, in denen die Männer trinken und mit den Frauen tanzen. Nie beharrt der Film auf der Aussichtslosigkeit der Menschen, die hier leben; nie ästhetisiert er sie. „Viele Persönlichkeiten leben, um der Erde ihre Ehre zu erweisen“, heißt es in einem der vielen schönen Lieder des Films. „L’Immatriculation Temporaire“ ist das Porträt einer Generation in Afrika, einer Jugend, die sich ihrer verlorenen Situation bewusst ist, die es nur versteht, in den Tag hineinzuleben“, sagt der Regisseur. „Sie sind da.“ Abgekürzt heißt der Film „I. T.“ Die Geschichte des Regisseurs ähnelt übrigens der seines Helden: Fofanas Eltern flohen in den Sechzigern vor dem Regime von Sékou Touré aus Guinea ins französische Exil. DETLEF KUHLBRODT

„I.T (L’Immatriculation Temporaire)“, Regie: Gahité Fofana. Guinea/Frankreich, 78 Minuten, bis 13. 3. im fsk

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