: „Der Eindruck täuscht“
Michael Müller, Fraktionschef der SPD, erklärt, warum die Ampelparteien für die Verhandlungen besser vorbereitet sind, als es aussieht, aber für eine Sparphilosophie noch 4 Wochen brauchen
Interview ROBIN ALEXANDER und ADRIENNE WOLTERSDORF
taz: Herr Müller, von Ihnen wird das Bonmot kolportiert: „Jetzt habe ich schon so oft erklärt, warum die Ampel besser für Berlin ist als Rot-Rot, dass ich es schon beinahe selber glaube.“ Erklären Sie es uns bitte auch noch einmal.
Michael Müller: Die Entscheidung war auch in der SPD umstritten. Es gab gute Gründe für Rot-Rot, aber auch gute Gründe für die Ampel. Nach den Sondierungsgesprächen hatten wir den Eindruck, dass wir mit der FDP und den Grünen zwei verlässliche Partner finden, die wirklich etwas bewegen wollen. Man muss seine eigene Meinung auch mal zurückstellen, wenn man sieht, dass politisch mit einer anderen Konstellation für Berlin viel zu erreichen ist.
In den Koalitionsverhandlungen tun sich die Ampelpartner aber schwer.
Koalitionsverhandlungen sind in keiner Konstellation einfach. Zusätzlich schwierig ist, dass es sich diesmal sogar um drei Partner handelt und einer dieser Partner bislang nicht einmal im Abgeordnetenhaus vertreten war. Der FDP muss erst einmal ein gewisser Wissenstand vermittelt werden. Aber unsere Beratungen sind auf gutem Wege.
Können Sie sich überhaupt auf eine FDP-Fraktion verlassen, in der mindestens zwei Abgeordnete mit rechten Tendenzen sitzen, denen die Ampel nun wirklich keine Herzenssache ist?
Wir beobachten schon aufmerksam, wenn etwa Martin Matz, der für den sozialliberalen Flügel der FDP steht, bei den Fraktionsvorstandswahlen durchfällt. Es ist für uns eine ganz entscheidende Frage, verlässliche Partner für die nächsten fünf Jahre zu finden. Günter Rexrodt hat uns aber zugesichert, seine Fraktion inklusive der von ihnen angesprochenen Abgeordneten Hahn und Mleczkowski zusammenzuhalten. Wir geben Rexrodt in dieser Sache einen Vertrauensvorschuss.
In den Koaltionsgesprächen verhalte sich Hahn schwierig bis unkooperativ, hört man aus der Fachgruppe Verkehr.
Man kann Positionen engagiert vortragen und auch einmal über das Ziel hinausschießen. Aber der Wille zur Problemlösung muss erkennbar bleiben, und die Wortwahl muss auch stimmen. Beides war in der Fachgruppe Verkehr wohl nicht immer der Fall. Da muss Rexrodt für Ordnung sorgen. Und es sind auch schon Gespräche in dieser Richtung geführt worden.
Jeden Tag kursieren neue Sparziele und -pläne. Täuscht der Eindruck, alle Parteien seien inhaltlich wenig vorbereitet in die Verhandlungen gegangen?
Der Eindruck täuscht. Aber es gibt ganz unterschiedliche Sparphilosophien: Die einen wollen Arbeitszeiten verkürzen, die anderen Arbeitszeiten verlängern. Gegen beides spricht einiges und für beides auch. Wir werden schauen, was am Ende mehr Einsparungen bringt und mit den Gewerkschaften umsetzbar ist.
Aber die Zeit drängt doch, warum ist das nicht schon vorher gelaufen?
Es hat natürlich Vorarbeiten gegeben. Aber wir mussten doch abwarten, in welcher Konstellation am Ende verhandelt wird.
Wir fassen zusammen: Die Ampel hat keine Sparphilosophie und kein Sparkonzept
Pardon! Wir verhandeln erst seit zwei Wochen. Aber wir haben noch knapp vier Wochen vor uns: Bis dahin werden wir eine gemeinsame Sparphilosophie finden und ein Konzept vorlegen.
Welches Sparziel halten Sie für realistisch? 3 Milliarden ist das letzte Angebot von Herrn Rexrodt. Wie viel setzen Sie?
Ich will mich an diesen Nennungen nicht beteiligen. Das ist doch beim derzeitigen Verhandlungsstand unseriös. Ich glaube, dass es Spielraum jenseits der von Innensenator Körting genannten 1,3 Milliarden gibt. Aber wie viel mehr wir einsparen können, kann man jetzt noch nicht sagen.
Im Abgeordnetenhaus werden Ihnen mit CDU und PDS zwei gesellschaftlich tief verwurzelte und zahlenmäßig starke Oppositionsfraktionen gegenüberstehen. Bereitet Ihnen das keine Sorge?
Nein. Fundamentalopposition wird es nicht geben. Die PDS hat ausgezeichnete Fachpolitiker, wie etwa Harald Wolf und Stefan Liebig. Die werden versuchen, uns aus der Opposition bestimmt das Leben schwer zu machen. Sie sind aber auch bekannt dafür, dass sie bei wichtigen Fragen konstruktiv mitarbeiten.
Und von Seiten der Union?
Die CDU ist keine starke Fraktion mehr. Im Moment ist das ein ungeordneter Haufen: wenig Vertreter aus dem Ostteil der Stadt, fast keine Frauen mehr, die profilierten CDU-Politiker sind nicht mehr im Abgeordnetenhaus. Haushaltspolitischer Sachverstand fehlt deutlich. Die CDU ist erst mal mit sich selbst beschäftigt. Sie wird lange brauchen, bis sie zu einer vernünftigen Oppositionsarbeit kommt.
Herr Müller, genau wie Klaus Wowereit kommen Sie ja aus der Ecke der so genannten Kuschellinken. Wie muss man sich das in der Koalitionsarbeit vorstellen?
Pragmatisch. Ich bin unaufgeregt, entschieden, aber auch entschieden unideologisch.
Und ganz unideologisch wird auch entschieden, ob Walter Momper oder jemand aus dem Osten Parlamentspräsident wird?
Wir haben mehrere gute Kandidaten, aber die Herkunft aus einer Stadthälfte wird nicht ausschlaggebendes Kriterium sein.
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