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„Der Dorsch ist der Kabeljau der Ostsee“

■ Die bundesdeutsche Fischwirtschaft im leichten Aufwärtstrend / BRD: Nur 13 Kg Fisch pro Kopf und Jahr / Des Fischers Leid, des Fisches Freud: Fangquoten Die deutsche Flotte ist aber so sehr abgespeckt, daß die Quote nicht einmal ausgeschöpft werden kann / Die Fischkonserve kommt aus der Mode

Von Klaus–Peter Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - „Wissen Sie eigentlich, wie Sie Fischgeruch am Freitag verhindern können? Ganz einfach! Sie braten Ihren Fisch donnerstags.“ Über diesen Kalauer aus den 50er Jahren kann Kurt Querfeld, Vorsitzender des „Fischwirtschaftlichen Marketing–Instituts“ (FIMA) der Bundesrepublik Deutschland mit Sicherheit nicht mehr lachen. Denn das Hauptproblem der bundesdeutschen Fischwirtschaft ist und bleibt der deutsche Verbraucher, der nach wie vor ein Fischmuffel ist. Auch wenn der Pro–Kopf–Verbrauch von Fisch und Fischwaren von 1985 auf 86 um 10 ist, liegt die BRD - was den Pro– Kopf–Fischverbrauch anbelangt - in der Nationenwertung abgeschlagen auf einem der hinteren Plätze der Rangliste. Die wird von den Japanern (70 Kg) angeführt, gefolgt von den Norwegern (50 Kg) und den Portugiesen, Spaniern, Schweden und Dänen (je 35 Kg). Indirekt machte FIMA–Chef Querfeld den sich in Süddeutschland hartnäckig haltenden Katholizismus für die anhaltende Fischflaute verantwortlich. Denn südlich der Mainlinie, so Querfeld auf der FIMA–Jahrespressekonferenz in Frankfurt, liege der Pro– Kopf–Verbrauch bei nur 4,5 Kg Fisch per annum. Querfeld: „In Bayern wird noch immer nur freitags Fisch gegessen.“ Daß es dennoch gegenüber 1985 zu einer 10 des Konsums kam, hat die deutsche Fischwirtschaft vornehmlich der italienischen und spanischen Gastronomie zu verdanken, die in den letzten Jahren neue Fisch– und Schalentierarten bei uns „salonfähig“ gemacht hat. Darüberhinaus werde Fisch von den Verbrauchern zunehmend als „gesundes und praktisch schadstoffreies Lebensmittel“ erkannt. Doch die - wenn auch geringe - Verbrauchssteigerung kommt der bundesdeutschen Fischwirtschaft nur marginal zugute. Denn 81 Fischereierzeugnissen sind Importe, vor allem aus Dänemark (29) und den Niederlanden (12 Der Beitrag der „Eigenlandungen“ mit knapp einem Fünftel des Aufkommens nimmt immer mehr den Charakter einer Basisversorgung an, die sich - bei Seefisch - auf die gängigen Sorten wie Rotbarsch, Kabeljau und Seelachs beschränkt. Der Dorsch, der „Kabejau der Ostsee“ (Querfeld), schlüpft dagegen regelmäßig durch bundesdeutsche Schleppnetze, da die Ostblockstaaten die Ostsee „fest im Griff“ halten. Bilaterale Abkommen oder Vereinbarungen zwischen den Ostblock–Ostseestaaten und der EG über Fangquoten sind zwar „angepeilt“, doch die Gespräche würden sich „schleppen“, meinte Dr. Wolfgang Gedern, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Landwirtschaft und Forsten. Den Begehrlichkeiten hinsichtlich der Ostsee stehen schon jetzt unerfüllte Fangquoten in der Nordsee und in anderen Meeren gegenüber. Die bis auf wenige Schiffe „abgesunkene“ Hochsee– Fischflotte der BRD kann die ihr im Rahmen der EG–Verträge zugestandenen Fangquoten nur knapp zur Hälfte ausschöpfen. 240.000 Tonnen Fisch durften Bundesdeutsche Hochseefischer 1986 aus den Meeren ziehen. Und dazu noch einmal 106.000 Tonnen Krabben, Muscheln und andere Meeresbewohnerinnen. Die Nichtausschöpfung der zugestandenen Quoten - insgesamt wurden inklusive der Binnenfische nur 201.000 Tonnen Fisch „angelandet“ - weckt vor allem die „Lüsternheit“ der Niederländer, die wiederum über eine nicht ausgelastete Fangflotte verfügen. Die kleine deutsche Flotte, die unter dem Motto: „Fangen! Schlachten! Einfrieren!“ die Weltmeere durchkreuzt, hatte 1986 zusätzlich mit schwierigen biologischen, klimatischen und hydrographischen „Fangverhältnissen“, wie etwa dem langen Winter, zu kämpfen. Und das Auslaufen des Fangvertrages mit Kanada, der der deutschen Hochseeflotte Fangquoten bei „vom Markt besonders hochdotierten Fischarten“ - wie etwa Kabeljau - sicherte, wird weitere Rückschläge bringen. Daß erst vor wenigen Wochen der Frischfischtrawler „Hessen“ vor Schottland auf Grund lief, hat zusätzlich zur „Kapazitätsschrumpfung“ (Geldern) beigetragen. Dennoch wurde der Kabeljau, dessen Preis in Boston (USA) festgelegt wird, auch 1986 wieder am häufigsten aus dem Wasser gezogen, gefolgt vom Seehecht. Seinen zweiten Platz konnte der Seehecht allerdings nur halten, weil aus seinem weißen „Fleisch“ die merkwürdigen „Fischstäbchen“ hergestellt werden, die bundesdeutsche Kinder - nach Pommes Frites - zur Lieblingsspeise erkoren haben. Neu war im vergangegen Jahr, daß die Verbrauchsquote bei Krabben, Hummer, Muscheln, Krebsen und Garnelen auf einen Anteil von fast 17 Aufkommen gesteigert werden konnte. An einem schönen Sommertag in der Frankfurter „Freßgass“ würden heute schon einmal 3.000 Austern verdrückt und mit Champagner runtergespült, kommentierte Marketinger Querfeld süffisant. Und früher habe es selbst dort nur Rotbarsch und Kabeljau gegeben. Rückläufig war dagegen das Geschäft mit Fischkonserven, die allerdings mit 34% noch immer den Seelöwenanteil beim Verbrauch von Fisch und Fischprodukten stellen. Zum „Hit für die Fischwirtschaft“ (Querfeld) hat sich in den letzten Jahren auch der Tiefkühlfisch entwickelt, dessen Marktanteil schon jetzt 18 bei der Zubereitung von tiefgekühlten Fisch–Fertiggerichten entfällt genau das, was die „deutsche Hausfrau und der Verbraucher allgemein“ (Querfeld) am meisten fürchten: der Fischgeruch am Freitag. Aber wie gesagt - Fisch schmeckt auch am Donnerstag ...

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