: Der Donner rollt verhalten
In einem ansehnlichen Football-Spiel verliert Berlin Thunder zum Saisonauftakt mit 17:24 gegen die Barcelona Dragons und hofft für die Zukunft auf das Aufblühen von Quarterback Jonathan Quinn
von MATTI LIESKE
„You’ve not seen nothin’ like the mighty Quinn“ war eine Songzeile, die der DJ im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark noch relativ selten spielen konnte beim Saisonauftakt des Football-Teams Berlin Thunder in der NFL Europe. In Grenzen hielten sich auch die Einsatzmöglichkeiten von „Sorry Miss Jackson“. Zwar kamen die Pässe von Mr. Jarious Jackson keineswegs immer an, doch das bessere Ende hatte der Quarterback Nummer eins der Barcelona Dragons für sich. Mit 24:17 konnten sich die Gäste vor 8.213 trotz der grimmigen Kälte gut gelaunten Zuschauern gegen die Berliner mit ihrem vorschussbelorbeerten Spielmacher Jonathan „Mighty“ Quinn durchsetzen. Geht man nach der Statistik, ist damit das angestrebte Ziel des Thunder-Teams, in seiner dritten Saison erstmals die World Bowl zu gewinnen, bereits passé. Noch nie hat eine Mannschaft, die ihr erstes Match verlor, den Titel geholt. So gesehen, ist auch die Frankfurt Galaxy nach dem 21:24 bei den Scottish Claymores schon aus dem Rennen, lediglich Rhein Fire, das mit 24:20 gegen die Amsterdam Admirals gewann, darf hoffen.
Garant für den sportlichen Aufschwung der Berliner soll Quarterback Jonathan Quinn sein, der von den Jacksonville Jaguars kam, wo er zuletzt als dritte Option kaum eingesetzt wurde. „Ich will die World Bowl gewinnen“, ist sein erklärtes Ziel, noch lieber allerdings möchte sich der 26-Jährige mit guten Leistungen für die nächste NFL-Saison empfehlen, um vielleicht ein wenig mehr Spielzeit in Jacksonville zu bekommen. Als Talentpool und Übungsterrain hat die NFL Europe in den letzten Jahren deutlich an Bedeutung gewonnen, nicht weniger als 187 ehemalige NFL Europe-Akteure standen letzte Saison in den Kadern der US-Teams.
„Quinn hat eine verdammte Menge guter Sachen gemacht“, sagte Thunder-Chefcoach Peter Vaas nach dem Match gegen die Dragons, glücklich sei er jedoch keinesfalls. „Wenn man ein Footballspiel verloren hat, kann man über nichts glücklich sein.“ Quinn komplettierte 15 von 38 Pässen. Dass er zum besten Spieler der Partie gewählt wurde, lag aber wohl daran, dass die abstimmenden Journalisten seinen Namen am besten kannten. Herausragender Akteur des Abends war jedenfalls eindeutig Running Back Mike Green, der 154 Yards für die Dragons erlief und auch den ersten Touchdown beisteuerte. „Wenn du mit dem Ball laufen kannst, so wie wir es getan haben, dann ist das sehr wichtig“, lobte Barcelonas Headcoach Jack Bicknell seinen Oberrenner.
Peter Vaas beklagte vor allem das Debakel in den letzten Minuten, als sich sein Team insgesamt sechs Mal vergeblich daran versuchte, den Ball aus einem Yard Entfernung zum Ausgleich in die Endzone zu bugsieren. „Du musst die großen Spielzüge machen, das haben wir nicht getan“, meinte der Coach und räumte ein, vielleicht taktische Fehler begangen zu haben. Jonathan Quinn wurde von Peter Vaas ausdrücklich in Schutz genommen: „Wenn er besser abgeschirmt wird, wenn die Pässe gefangen werden und wenn das Laufspiel klappt, dann sieht auch der Quarterback besser aus.“ Auf keinen Fall sei das Team übermotiviert gewesen, wies der Coach typisch europäische Erklärungsmuster von sich. „Von so etwas wie Übermotivation habe ich ja noch nie gehört.“
Nicht glücklich konnten auch die Verantwortlichen von Berlin Thunder sein. Endlich mal ein siegreicher Auftakt, das wäre wichtig gewesen für die weitere Saison. Die 8.213 Zuschauer sind deutlich unter dem angestrebten Saisonschnitt von 10.000, der große Sprung in die Regionen von Frankfurt und Düsseldorf dürfte auch dieses Jahr ausbleiben. Die beiden anderen deutschen Klubs haben allein an Dauerkarten mehr als 10.000 verkauft, in Düsseldorf kamen letzte Saison durchschnittlich über 36.000 Menschen ins Rheinstadion. Die Stadt, die nach dem Niedergang von Fußball und Eishockey den American Football als Hauptattraktion pflegt, will alsbald sogar eine Straße nach dem aktuellen World-Bowl-Sieger Rhein Fire benennen.
So etwas lieben die NFL-Strategen in New York, für die Deutschland nach wie vor das Standbein in Europa ist. Für die Zukunft ist sogar ein viertes deutsches Team angedacht, ein weiteres spanisches soll bis 2003 dazukommen. Bis dahin will auch Berlin Thunder seine Fanbasis gebührend erweitert haben, schon im nächsten Jahr ist ein Umzug vom Prenzlauer Berg ins Olympiastadion geplant. Ein paar hübsche Siege könnten da keinesfalls schaden. Anderenfalls dürfte am Ende der Saison wohl ein neuer Song fällig sein: „Sorry, Mr. Quinn“.
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