INTERVIEW: „Der Bundesinnenminister handelt rechtswidrig“
■ Der Berliner Rechtsanwalt Matthias Zieger zum Bleiberecht für ausländische Vertragsarbeiter der Ex-DDR/ „Erst einmal Widerspruch einlegen“
taz: Herr Zieger, in einem von der Fraktion Bündnis 90/Grüne im Berliner Abgeordnetenhaus angeforderten Rechtsgutachten kommen Sie — abweichend vom Bundesinnenministerium — zum Schluß, daß den ausländischen Vertragsarbeitnehmern der DDR in der Bundesrepublik Deutschland nun ein Bleiberecht zusteht. Warum?
Matthias Zieger: Ich halte die sogenannte Ausländeraufenthaltsverordnung des Bundesinnenministers für rechtswidrig. Danach wird den Vertragsarbeitern nur eine Aufenthaltsbewilligung eingeräumt, die nach Ablauf ihrer ursprünglich geplanten Vertragsdauer nicht verlängert werden kann. Nach dem Einigungsvertrag hätte ihnen aber die „entsprechende Aufenthaltsposition“ der DDR erteilt werden müssen, und das wäre, geringstenfalls, die unbefristete Aufenthaltserlaubnis.
Laut Ausländergesetz wird eine Aufenthaltsbewilligung grundsätzlich bei einem vorübergehenden, zweckgebundenen Aufenthalt ausgesprochen. Treffen solche Vorgaben nicht gerade auf diese Vertragsarbeiter zu?
Diese Auffassung hätte man ursprünglich vertreten können. Doch Mitte 1990 änderte die DDR-Regierung unter Lothar de Maizière die Rechtslage. Einerseits wurden die Betriebe ermächtigt, den Vertragsarbeitern aus betriebswirtschaftlichen Gründen zu kündigen, andererseits bekamen diese wiederum als Gegenleistung das Recht, sich auf jede andere Arbeitsstelle zu bewerben und eine selbständige Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Damit war ihr Aufenthalt in der DDR nicht mehr an einen Zweck gebunden.
Welche Möglichkeiten haben Vertragsarbeitnehmer, ihr Recht einzufordern?
Als erstes müssen sie Widerspruch einlegen. Allerdings drücken sich die Ausländerbehörden um eine inhaltliche Entscheidung herum, indem sie den Widerspruch mit vorgeschobenen Argumenten ablehnen. Beim Weg durch die Instanzen wird dann das Bundesverwaltungsgericht eine Grundsatzentscheidung fällen. Da das Widerspruchsverfahren keine aufschiebende Wirkung hat, kann es bei günstigem Prozeßausgang passieren, daß beispielsweise Vietnamesen erst einmal ausgewiesen werden, ein Jahr später aber für immer nach Deutschland zurückkehren können.
Wie könnte ein Bleiberecht politisch durchgesetzt werden?
Ganz einfach: Der Bundesinnenminister oder der Bundestag müßten die Ausführungsvorschriften des Ausländergesetzes ändern und die Ausländerbehörden anweisen, den Vertragsarbeitern anstatt der befristeten Aufenthaltsbewilligung die dauerhafte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Interview: Micha Schulze
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