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■ Ein tschechisches Drama in sechs Akten plus EpilogDer Brandstifter von Vanov

Prag (taz) – Die Zeiten im mährischen Vanov sind grausam genug, um ein eigenes Drama zu schreiben.

Erster Akt.

Abends, kurz vor neun. Gerade haben sich Hase und Fuchs „Gute Nacht“ gesagt, da schleicht ein unbekannter Täter um Häuser und Scheunen der 80-Seelen-Gemeinde. Irgendwann zuckt er willkürlich sein Feuer und steckt einen Schweinestall in Brand. Das Anwesen fällt in Schutt und Asche.

Zweiter Akt.

Dem Anschlag auf die Schweine folgen in regelmäßigen Abständen weitere Brandsätze. Bevorzugte Objekte des Zünders sind Scheunen und Ställe. Im Dorf werden Brandstiftungen zum zentralen Gesprächsthema. Die Menschen haben Angst. Sie legen sich eine Theorie nach der anderen zurecht. Einen Großteil der kostbaren Zeit verbringen sie damit, ihr Hab und Gut zu bewachen. „Wir sind alle schon ganz krank und müde“, erklärt ein älterer Dorfbewohner gegenüber Prags Presse, „trotzdem sprechen wir unentwegt darüber.“

Dritter Akt.

Den zuständigen Hütern der Ordnung rauchen die Köpfe. Im Frühjahr noch hatten sie die provinzielle Langeweile beklagt, verbrachten Stunden vor TV-Serien wie „Kojak“ und „Miami Vice“, und plötzlich stehen sie selbst vor einem äußerst komplizierten Fall. Keine Spur, keine Zeugenaussage, kein Verdacht. Und da die Freunde und Helfer völlig im dunkeln tappen, stellen sie die einzelnen Szenen wie ein Krippenspiel im Polizeirevier nach. Der Hauptkommissar ist „Sherlock Holmes“-belesen. Er mimt den Regisseur.

Vierter Akt.

Der dritte Akt läuft nicht so flott, wie es die Vanover gerne hätten. Viele Menschen greifen in ihrer Alltagssorge lieber zur Selbstjustiz und richten ihren Zeigefinger vorwurfsvoll auf Bohuslav V. Der 17jährige Blondschopf, so die Hobbydetektive, sehe „merkwürdig“ aus, habe ein „nicht ganz normales Verhalten“ und sei schließlich zu einer „speziellen Schule“ gegangen. Daß der vermeintliche Übeltäter auch den elterlichen Stall den Flammen übergeben hat, stört sie in ihrer Argumentation nicht.

Fünfter Akt.

Diese Art Rufmord martert die Psyche Bohuslavs und die seiner Eltern. Schlafstörungen und depressive Gefühlsmomente sind die Folge. Um weiteren Beschuldigungen vorzubeugen, wird Bohuslav einem Psychologen vorgeführt. Die Untersuchungen bringen keine Anzeichen von Pyromanie. Für die Sheriffs ist inzwischen klar, daß der Täter in der Gemeinde zu suchen ist. Bohuslav bleibt ihrer Ansicht nach ebenso verdächtig wie alle anderen BürgerInnen von Vanov. Seine Eltern erdrückt das Geläster nachhaltig, sie erwägen, das Dorf zu verlassen.

Sechster Akt.

Die Ermittlungen des Psychologen und der Dorfsheriffs ziehen wie ein Flächenbrand durchs Kaff. Auch eine kollektive Zwangsvorstellung entfacht: Alle sind der Ansicht, in den Abendstunden ein Alibi haben zu müssen. Und obwohl keiner dem anderen mehr traut, halten es die Gebrandmarkten wie ihr Borstenvieh: Nach Sonnenuntergang rücken sie in kleinen Gruppen zusammen, warten ab, ob etwas passiert, diskutieren bis tief in die Nacht.

Epilog.

Jeder Vanover avanciert zu einer heldenhaften Feuerwehrkraft und kommt seiner täglichen Arbeit nicht mehr nach. Die letzten der insgesamt sechs Brände wurden dafür in weniger als zehn Minuten gelöscht. Ein älterer Mann weiß: „Sie sind sicherlich besser ausgebildet als jede andere Brigade in unserem Land.“ Nun hofft man auf viel Schnee: Der nämlich könnte den Täter überführen. Ende. Tomas Niederberghaus

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