: Der Botschafter
Ein verbliebener Veteran des Old-School-HipHop nimmt einen neuen Anlauf: Melle Mel in der Fabrik
„Wenn wir nicht mehr rappen können“, sagte Melvin Glover in den frühen 80er Jahren in einem Interview, „dann ist alles vorbei.“ Als wollte er also unterstreichen, dass er noch am Leben ist, meldet sich mit Glover alias Melle Mel einer wenigen tatsächlich legendären Akteure des frühen HipHop zurück.
Mel war einer von zunächst drei MCs, die ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre den DJ-PionierGrandmaster Flash begleiten sollten. Den störte nämlich, dass das Publikum ihm zunehmend bei der virtuosen Arbeit zuzusehen pflegte, anstatt – „Wir waren doch schließlich nicht in der Schule!“ – zu tanzen. Mel, dessen Rapstil Flash einmal als „akademisch“ bezeichnete, dürfte seine Warhol‘schen 15 Minuten Ruhm 1984 gehabt haben, als er den Text zu „The Message“ rappte – vielzitiertes Beispiel für sozialen Realismus im HipHop und als authentisches Bild der realen Lebenssituation seiner Protagonisten gehandelt. Ob man Mel einen Gefallen tut, ihn darauf fußend als explizit politischen Rapper zu bezeichnen, ist fragwürdig.
Wie es das Klischee so will: In den Geschichtsbüchern des Genres ist davon die Rede, der MC-Veteran Mel, längst auf getrennten Wegen von Grandmaster Flash, habe trotz aller seinerzeit zur Schau gestellten consciousness „den Drogen und der Kleinkriminalität“ nicht widerstehen können und sei erst durch eine Zusammenarbeit mit dem Produzenten Quincy Jones zur Musik zurückgekehrt. Das war Ende der 80er, demnächst gibt es ein Lebenszeichen Mels in Tonträgerform: Ein deutsches Label veröffentlicht Ende August eine 12-inch mit zwei neuen Stücken, so kam es auch zur eher kurzfristig angesetzten Tour, die den Veteranen jetzt in die Fabrik führt. Vom alten Sendungsbewusstsein des „Message“-Rappers ist nicht viel übrig. In kaum gereiftem Old-School-Duktus gibt er da eher redundante Zeilen zum Besten.
Beinahe so, als wolle er nachträglich denen Recht geben, die schon vor 20 Jahren befanden, der politisch-pädagogische Message-Rap sei Ausdruck der Domestizierung von HipHop. Demzufolge hieße inhaltliche Regression dann die Wiedergewinnung von so etwas wie Ursprünglichkeit. Und das mag dem langjährigen Bodybuilder Mel, dessen Alter sich ungeklärt um die 40 bewegen dürfte, heute durchaus erstrebenswert scheinen.
Alexander Diehl
Donnerstag, 21 Uhr, Fabrik
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen