■ Der Bosnienplan legitimiert die „ethnischen Säuberungen“: Verhältnisse offengelegt
Jetzt darf Restjugoslawien, jetzt darf der serbische Präsident Slobodan Milošević für die Serben Bosniens verhandeln. Karadžić und Mladić flüchten sich hinter den Rockschoß ihres Ziehvaters. Daß mit diesem Vorgang all jene unrecht haben, die meinen, es hätte einen entscheidenden Machtkampf zwischen diesen drei Akteuren des großserbischen Raums stattgefunden, sei nur am Rande vermerkt. Viel wichtiger ist, daß Milošević damit unumwunden zugibt, in den Krieg in Bosnien direkt verwickelt zu sein.
Wie hat er das doch immer abgestritten! Ein Bürgerkrieg soll es gewesen sein, ein Krieg der Aggression durch den islamischen Fundamentalismus, wo die serbischen Brüder um ihr Recht, ihre Freiheit und ihr Überleben kämpften. Mit Serbien hätte dieser Krieg überhaupt nichts zu tun. Während Präsident Milošević den bosnischen Serben Truppen und Material schickte, putzten die Verhandler der internationalen Gemeinschaft Klinken bei dem Mann in Belgrad. Es wurde schon zum Ritual, ihn zu bewegen, Druck auf Karadžić auszuüben. Jetzt endlich sind die Hosen runtergelassen. Milošević wird auch für die bosnischen Serben verhandeln. Und das wird von der internationalen Gemeinschaft fast einhellig begrüßt.
Sicherlich. Mit einem Karadžić und einem Mladić können die bosnischen Serben keinen Staat mehr machen. Jedes Land der Welt ist verpflichtet, die beiden als gesuchte Kriegsverbrecher festzunehmen. Der politische und moralische Zusammenbruch der bosnischen Serben ist vollständig geworden. Mit Karadžić und Mladić hat auch das rechtsradikale Konzept der ethnischen Trennung der Bevölkerung in Bosnien Schiffbruch erlitten, möchte man meinen. Aber gerade dieses Konzept ist durch die internationale Gemeinschaft immer noch gestützt.
Der Teilungsplan Bosniens ist nichts anderes als die Rettung dieses Konzepts. Auch wenn nach den amerikanischen Vorstellungen die bosnisch-serbischen Extremisten jetzt weniger erhalten als das, was sie gefordert haben, so wird doch ihre Politik der Teilung akzeptiert und international abgesegnet. Wer den Teilungsplan will, braucht einen Verhandlungspartner, der nicht belastet ist. Milošević ist zu diesem Zweck mit einer weißen Weste ausgestattet worden. Wer aber auf ein Trugbild setzt, wird bald selbst betrogen werden. Immerhin sind jetzt die Verhältnisse offengelegt. Erich Rathfelder
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen