: Der Bosch-Hammer
Elektro-Unternehmen will Hauptteil des Werks in Spandau schließen. Belegschaft streikt und denkt an Besetzung
Im Spandauer Boschwerk standen gestern alle Bänder still. Rund 200 Beschäftigte protestierten mit der eintägigen Arbeitsniederlegung gegen die befürchtete Schließung des Werks. Die Unternehmensleitung hatte zuvor ihre Absicht erklärt, bis zum Jahresende aus Kostengründen die Produktion elektronischer Auto-Antennen in ein portugisisches Werk zu verlagern. Die Herstellung elektromechanischer Auto-Antennen soll verkauft werden. Dadurch würden 240 Arbeitsplätze in Berlin wegfallen. In Spandau würde lediglich die Produktion von Breitbandnetzen mit 60 Mitarbeitern verbleiben.
Nach Ansicht des Betriebsrats wäre dieser Kleinbetrieb langfristig nicht lebensfähig. Heute wollen sich Werksleitung und Betriebsrat erneut zu Verhandlungen über die Zukunft des Werkes in Spandau treffen. Die Schließung wäre für Berlin ein weiterer herber Verlust: Seit 1990 ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Metall- und Elekroindustrie bereits von rund 220.000 auf 65.000 gesunken.
Das Bosch-Management habe in den vergangenen Jahren „den Karren durch ständige Verlagerung und durch Nichtstun bewusst in den Dreck gefahren, um sich die Legitimation für die Schließung des Standorts zu verschaffen“, sagte IG-Metall-Gewerkschaftssekretär Luis Sergio. Statt den Standort zu einem Kompetenzzentrum für Entwicklung, Herstellung und Vertrieb elektronischer Automobilkomponenten auszubauen, sei eine „Strategie des Ausblutens“ verfolgt worden. Wirtschaftliche Gründe sieht IG-Metall-Sprecher Klaus Wosilowski dafür nicht. „Das ist eine klare Standort-Entscheidung gegen Berlin.“ Das Stuttgarter Unternehmen wolle sich auf Süddeutschland konzentrieren.
Die Beschäftigten machten gestern gegen diese Pläne mobil. Am Nachmittag demonstrierten sie auf dem Alexanderplatz. „Die Kollegen haben gezeigt, dass sie mit allen Mitteln um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze kämpfen werden“, so Wosilowski. Dies könne bis zur Betriebsbesetzung gehen.
Vor einem Jahr hatte die Belegschaft des Neuköllner Alcatel-Kabelwerkes mehrere Wochen ihren Betrieb besetzt. Die Schließung wurde damit zwar nicht verhindert. Mit dem Alcatel-Vorstand wurde allerdings eine Art langfristigen Sozialplan vereinbart. Zwei Jahre lang werden die Entlassenen in einer Beschäftigungsgesellschaft umgeschult. Dabei erhalten sie 80 Prozent des ehemaligen Lohnes.
RICHARD ROTHER
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