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Der Aufstand der Domestiken

■ Bei der Spanienrundfahrt der Radprofis behaupten sich die Wasserträger hartnäckig an der Spitze

Berlin (taz) - „Bis jetzt haben wir die Luschen und die Buben auf den Tisch gelegt“, sagte Miguel Echavarri, der Leiter von „Banesto“, dem Team des Vorjahressiegers Pedro „Perico“ Delgado, nach der 7. Etappe der „Vuelta ciclistica a Espana“, „die Könige und die Asse haben wir uns noch aufgehoben.“ Nicht zu Unrecht fügte er jedoch vorsichtig hinzu: „Aber es ist ein gefährliches Spiel.“

Auf der 6. Etappe von Loja nach Ubrique, bei der der inzwischen wegen eines Sturzes ausgeschiedene Hartmut Bölts aus dem „Team Stuttgart“ überraschend den zweiten Platz belegte, hatte eine Gruppe von Fahrern einen Vorsprung von rund fünf Minuten herausgefahren. Dabei waren keineswegs die Aspiranten auf den Gesamtsieg, sondern vielmehr deren demütigste Diener: nicht Alvaro Pino (Seur), der spanische Vuelta-Sieger von 1986, sondern sein italienischer Teamgefährte Marco Giovanetti, nicht Fabio Parra (Kelme) aus Kolumbien, sondern Martin Farfan; nicht Anselmo Fuerte (ONCE), sondern Marino Lejarreta; nicht der Kolumbianer Lucho Herrera (Cafe de Colombia), sondern Julio Cesar Cadena; und nicht Pedro Delgado und Miguel Indurain (Banesto), sondern Julian Gorospe.

Und der Aufstand der Kleinen überdauerte tatsächlich auch die asturischen Berge. Zwar mußte Gorospe, den ein Defekt zurückwarf, in der Estacion de San Isidro nach der 11. Etappe sein Gelbes Trikot abgeben, übernommen wurde es jedoch von Giovanetti, der immerhin schon mal Sechster des Giro d'Italia war und auch auf dem kräftezehrenden Aufstieg nicht abzuschütteln war. Für Gorospe kam der Verlust der Führung nicht überraschend. Er war vollauf zufrieden, endlich mal wieder aus dem Schatten der letzten Jahre herausgetreten zu sein, obwohl es ihm nach eigenem Bekunden stets einen „Riesenspaß“ bereitet habe, „gemeinsam mit Perico und Miguelon“ zu fahren.

Tatenlos waren die Favoriten auf den beiden Bergetappen zwischen Leon und Oviedo allerdings auch nicht gewesen. Minute für Minute hatten sie aufgeholt, allen voran das Banesto-Team, das sich auf der allerersten Etappe der Rundfahrt, einem Dreier-Team-Zeitfahren, einen peinlichen Lapsus geleistet hatte, als Delgado, Indurain und Gorospe sogleich 15 Sekunden auf die Konkurrenz verloren. Sie nahmen diese kleine Blamage zwar nicht allzu tragisch, aber Indurain gab ohne weiteres zu: „15 Sekunden Vorsprung wären mir lieber als 15 Sekunden Rückstand.“ Nach einem zeitweiligen Rückstand von mehr als acht Minuten zur Spitze schoben sich die beiden Cracks langsam immer weiter nach vorn, und als die Vuelta nach der 12. Etappe Oviedo erreichte, hatte sich der Abstand auf knapp drei Minuten verringert.

Rafael Carrasco, Direktor des Kelme-Teams, hatte die Banestos schon frühzeitig zu Topfavoriten ernannt: „Sie haben das stärkste Team und sind die einzigen mit einem Anführer, der das Rennen so auseinanderbrechen kann wie Delgado.“ Aber Delgado will überhaupt nicht gewinnen. Sein großes Saisonziel ist die Tour de France, und um dort erfolgreich zu sein, braucht er dringend die Hilfe seines treuesten Gehilfen Miguel Indurain. Und wenn dieser keinen Einbruch erleidet, will Delgado ihm seinen Dank bereits im voraus abstatten und ihm helfen, die Vuelta zu gewinnen.

Fast wäre der große Angriff schon auf der zwölften Etappe erfolgt, doch ein Defekt Indurains kam dazwischen. „Es scheint, als ob wir eine Pechsträhne haben“, sagte Delgado, beeilte sich aber hinzuzufügen: „Miguelon befindet sich in einer optimalen Position, die Vuelta zu gewinnen. Er beweist, daß er der Anführer von Banesto ist.“

Nach der heutigen 15. Etappe, dem Bergzeitfahren von Valdezcaray, dürfte der Höhenflug der Domestiken endgültig sein Ende finden. Am Wochenende geht es in die Pyrenäen, und wenn Indurain in den Bergen nicht zu viel Zeit verliere, so Delgado, habe er beim Flachland-Zeitfahren von Zaragoza der 20. von 22. Etappen dieser 3.638 Kilometer langen Rundfahrt - alle Vorteile auf seiner Seite. Es sei denn, Perico wird von plötzlichem Ehrgeiz gepackt und besinnt sich doch noch eines anderen.

Matti

Gesamtklassement nach der 13. Etappe: 1. Giovanetti 58:51,19 Std., 2. Cadena 41 Sek. zurück, 3. Fuerte 1:58 Min., 4. Gaston 2:31, 5. Indurain 2:47, 6. Delgado 2:51, 7. Parra 3:13, 8. Ruiu-Cabestany 3:16, 9. Pino 3:39, 10. Farfan 3:46...25. Ampler 9:31.

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