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Archiv-Artikel

Der Affe kann Kung-Fu

Die Chinesen feiern Neujahr: Im Bremer World Trade Center tummelten sich Drachen, Tänzerinnen und fernöstliche Künstler bei Hirseschnaps und Frühlingsrollen. Im Publikum: nur Langnasen

Schaukelnd verfolgt der grellbunte Drache die zierliche Schöne, die Musikanten, die die Jagd mit Trommel und Gong begleiten, sehen ein bisschen wie Feuerwehrmänner aus. Doch spätestens als zwei blonde Teutonen die Sänfte der verschleierten Braut durch die Menge tragen, wird auch dem Letzten klar, dass er nicht in Shanghai steht. Das Bremer World Trade Center ist die Bühne für das chinesische Neujahrsfest Chunjie, das am vergangenen Samstagabend rund 500 Gäste mit der chinesischen Gemeinde feierten.

Im Publikum sitzen nur Langnasen. Während die Deutschen ihre guten Vorsätze längst wieder über Bord geworfen haben, begann für die Chinesen das neue Jahr erst am Samstag. Und um das Jahr des Schafes gebührend einzuleiten, haben Yamei Leng vom Übersetzungsbüro China-Dialog und ihre freiwilligen Helfer ein üppiges Programm auf die Beine gestellt.

Doch nach dem farbenprächtigen Indoor-Umzug schreitet sogleich der Amtsschimmel mit Neujahrsgrüßen auf die Bühne. In China sei der schnurrbärtige Sesambeamte, siebte Hierarchiestufe, jedoch ebenso gern gesehen wie der Affe, beruhigt Leng die verdutzen Gäste. Der sei nicht nur lustig und bringe Glück, sondern könne auch noch hervorragend Kung-Fu.

Als dann sechs Grazien in rosa Kleidern zum „Tanz in den Frühling“ über die Bühne schweben, weiß das Publikum: Mit Tischfeuerwerk und China-Böllern aus dem Supermarkt hat Neujahr im Reich der Mitte nichts zu tun. Dabei knallern auch die Chinesen zum Jahreswechsel. „Feuer und die lauten Knallgeräusche vertreiben böse Geister“, erklärt Leng. Und in den Großstädten, wo Feuerwerk verboten ist, hängt man eben elektronischen Schmuck an die Tür. Der erzeugt die Knallgeräusche per Batterie – da soll noch einer sagen, Tradition und Moderne ließen sich nicht vereinen.

Ganz traditionell dagegen ist die musikalische Begleitung: Die Erhu, eine winzige zweiseitige Geige, die lange, klagende Töne erzeugt, begleitet das Hochzeitslied des glücklichen Paares. Die emsige Frau Leng ist nebenbei auch noch Künstlerin: Sie übernimmt den Part der Braut. Außerdem hat sie dafür gesorgt, dass die Gäste chinesische Kultur mit nach Hause nehmen können: Da ist der Maler, der aus wenigen pastellfarbenen Pinselstrichen leichtfüßige Aquarelle zaubert. Gleich daneben üben sich Kalligraphinnen in ihrer fast 4.000 Jahre alten Kunst.

Bei Bedarf werden sogar die klobigen westlichen Namen in elegante Tuschezeichen übersetzt. Was für den Mitteleuropäer allenfalls als deftige Beilage taugt, wird unter geschickten chinesischen Händen zum Kunstobjekt: Aus Rüben, Rettich, roter Beete schnitzen die Künstler in wenigen Minuten filigrane Rosen und Chrysanthemen – zum Essen zu schade. Der Magen kommt trotzdem auf seine Kosten: Wer seine Euros in kleine Holzkügelchen umtauscht, kann am Buffet Pappschälchen mit Bambussprossen oder Frühlingsrollen füllen und danach der Verdauung mit Rosen-, Bambus- oder Hirseschnaps auf die Sprünge helfen.

„Für 13 Euro Eintritt wirkt das Bühnenprogramm zu improvisiert“, sagt eine Besucherin. Vielleicht fehlt ihr einfach der Bezug zur fremden Kultur. Sie wäre nicht allein: „Während wir authentische chinesische Tradition zeigen“, bedauert Leng, „streben die jungen Leute in China nach westlichen Werten“. Und stellen sich Weihnachtsbäume ins Wohnzimmer. Sebastian Kretz