Denkmal: Keine Box für den Aston Martin
Die Kant-Garagen von 1930 sollen abgerissen werden. Das einzigartige Baudenkmal des Automobilismus steht damit vor dem Aus.
Dass in der Kantstraße 126/127 bald nicht mehr Autoreifen die Rampe hochqietschen, Motorlärm zu hören ist und es nach Benzin und Abgasen riecht, wird immer wahrscheinlicher. Der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und das Landesdenkmalamt werden wohl nach der Sommerpause den umstrittenen Abriss der berühmten Kant-Garagen beschließen, beziehungsweise den Denkmalschutz für das 1930 errichtete Verkehrsbauwerk aufheben. Der Eigentümer der Kant-Garagen hat jetzt zudem ein Gutachten vorgelegt, in dem der schlechte bauliche Zustand des Gebäudes und der Abbruchwunsch bekräftigt werden.
Charlottenburgs Bezirksbaustadtrat Marc Schulte (SPD) bestätigte gegenüber der taz, dass der „Abrissantrag gestellt ist und derzeit vom Bezirk geprüft und mit dem Landesdenkmalamt abgestimmt werden wird“. Eine Vorentscheidung gebe es aber noch nicht.
Schulte ließ jedoch durchblicken, dass für die einzige historische Hochgarage Deutschlands kaum Chancen bestünden, ihr Überleben „rechtlich durchzusetzen“. Der Grund: Werde ein Abrissbegehren wegen „nachweislicher Unwirtschaftlichkeit eines Gebäudes gestellt“, müsse der Denkmalschutz sich den „klaren Rechtsvorschriften“ im Gesetz beugen – sprich dem Abriss zustimmen, erklärte Schulte. Das könnte hier der Fall sein.
Zur Erinnerung: Der Immobilienunternehmer und Eigentümer der Kant-Garagen, Christian Pepper, will den seit 1991 unter Denkmalschutz stehenden „Garagenpalast“ hinter den großflächigen Glasfassaden und schnittigen Auffahrten abreißen. Pepper, Betreiber des Europa-Centers, führt an, dass die Kant-Garagen baulich „marode“ seien. Das 83 Jahre alte Gebäude könne – selbst nach einer möglichen Sanierung – nicht mehr profitabel vom Eigentümer genutzt werden. Stattdessen soll auf dem Grundstück ein Wohn- und Bürohaus entstehen. Denkmalschützer, Architekten und Bezirkspolitiker kritisieren dieses Vorhaben und fordern zugleich den Erhalt der einmaligen Verkehrsarchitektur.
In einem jetzt dem Bezirk vorgelegten Gutachten konkretisiert Pepper seine Argumente noch einmal: Die stählerne Gebäudekonstruktion sei zum Teil stark verrostet, die Fassaden beschädigt und ein Umbau beziehungsweise die Sanierung der Garage für andere Nutzungsformen „wirtschaftlich nicht tragfähig“.
Der Abrissantrag ist deshalb so umstritten, bilden die Kant-Garagen mit ihren 300 Boxen für Pkws, der Tankstelle und Werkstätten entlang der doppelten Wendelrampe doch das einzige Zeugnis des Architekten Hermann Zweigenthal in Deutschland im Stil der Neuen Sachlichkeit. „Vor allem aber handelt es sich um ein singuläres Verkehrsdenkmal von nationaler Bedeutung“, wie es in einer Erklärung des Berliner Denkmalbeirats heißt, der den Erhalt seit 2010 unterstützt. „In ganz Europa existiert zudem keine ältere Hochgarage mit dieser Art der Höhenbeförderung.“ Die Kant-Garagen seien ein „herausragendes Denkmal des Neuen Bauens“ und ein „einzigartiges Baudenkmal des Automobilismus in Deutschland und Europa“.
Petra Kahlfeldt, Architektin und Angehörige des Landesdenkmalrates, findet zwar, dass das sechsstöckige Garagenhochhaus heruntergekommen und die Bausubstanz beschädigt sei. Zum eigentlichen Desaster habe aber erst die jahrelange „unterlassene bauliche Unterhaltung“ und Vernachlässigung seitens des Eigentümers geführt, moniert sie. „Herr Pepper hätte seiner Unterhaltspflicht nachkommen müssen“, so Kahlfeld zur taz.
Für Kahlfeld und andere Denkmalexperten ist der Fall Kant-Garagen trotzdem noch nicht abgeschlossen. Die Garagen bildeten ein Beispiel der Berliner „Baukultur“, das nicht aufgegeben werden sollte, so Kahlfeld. Sie appelliert daher an den Eigentümer und das Land Berlin, nach Wegen des Erhalts und der Nutzung zu suchen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste