Denkmal für die Wehrmacht in Lüneburg: Verbrechen konkret benannt

Das umstrittene Lüneburger Wehrmachtsdenkmal bleibt, bekommt aber mehr Erklärungstext. Die geehrten Soldaten waren am Holocaust beteiligt.

Der Gedenkstein für die 110. Infanterie-Division der wehrmacht steht mit Beton unkenntlich gemacht und beschmiert in einer Grünanlage

Der Gedenkstein für die Wehrmacht unkenntlich gemacht und beschmiert, statt verhüllt Foto: Philipp Schulze/dpa

LÜNEBURG taz | Er bleibt eine Zumutung – aber immerhin eine gut kommentierte. Einen erweiterten Erklärungstext soll der Lüneburger Gedenkstein zu Ehren der 110. Wehrmachts-Infanteriedivision bekommen. Auf diesen Vergleich haben sich nach zweijährigem Rechtsstreit drei Holocaust-Überlebende und die Stadt Lüneburg am gestrigen Mittwoch geeinigt.

Ursprünglich hatten die Überlebenden die Verhüllung des Steins gefordert. Aus gutem Grund: „Es sage keiner, dass unsere Gefallenen tot sind“ – dieser der Antike entlehnte Satz steht da in Lettern, die stark an die NS-nahe Gotenburg- beziehungsweise Tannenburgschrift erinnern. Darüber prangt ein Wikingerschiff, Emblem speziell der 110. Infanteriedivision und bis heute in rechten Kreisen beliebt.

Kriegsveteranen hatten die Setzung des Steins 1960 initiiert, die Stadt Lüneburg ihn getreulich gepflegt. Erst 2014 stellte sie – auch auf Betreiben der Vereinigung der Verfolgten des NS-Regimes – eine Erklärtafel dazu. Aber das geschah halbherzig, setzte der Text das Leid der „Gefallenen“ dem ihrer Opfer doch quasi gleich.

Und davon gab es viele, war die 1941 für den Überfall auf die Sowjetunion rekrutierte Division doch auch an Kriegsverbrechen beteiligt. Allein im weißrussischen Osaritschi haben die Soldaten 1944 rund 50.000 Zivilisten in Todeslager deportiert. 9.000 von ihnen starben.

„Ein wichtiges Zeichen“

Öffentliche Empörung erregte das Ehrenmal aber erst 2015, als besagte Holocaust-Überlebende nach Lüneburg reisten, um in dem Prozess gegen den früheren KZ-Wachmann Oskar Gröning auszusagen. Der Anblick des Gedenksteins versetzte ihnen einen Schock. Bis die Stadt eine neue Tafel erstellte, dauerte es weitere drei Jahre. Aber nun stand da: „Erinnerungskultur ist zeit- und kontextgebunden. 1960 versprach die Stadt, das Denkmal als,Ehrenmal' zu bewahren und zu pflegen. Heute ist es umstritten und ein Stein des Anstoßes – schmerzhaft in seiner Aussage, verletzend für die Nachfahren der Opfer.“

Aber auch hier war eher allgemein von „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ die Rede – weshalb die Schoah-Überlebenden nun offiziell klagten: zunächst auf Verhüllung des Steins, bis eine Lösung gefunden sei. Als die Stadt das ablehnte, forderte man zumindest die Veränderung der Tafel.

Das ist nun erreicht: Der Text wird durch einen Halbsatz ergänzt, aus dem hervorgeht, dass die 110. Infanterie-Division auch am Völkermord an den Juden, der Schoah, während der Zeit von 1941 bis 1944 in der Sowjetunion beteiligt war. „Seit der Wehrmachtsausstellung ist die Beteiligung dieser Soldaten an Kriegsverbrechen eigentlich bekannt“, sagt Joachim Gottschalk, Ehemann und Anwalt einer der KlägerInnen. „Aber dieser Text macht es nochmals konkret. Das ist ein wichtiges Zeichen – nicht nur für Lüneburg, sondern für alle Schoah-Opfer und ihre Nachfahren.“ Er sei mit dem Vergleich sehr zufrieden.

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