■ Kommentar: Denkmal für Hundekot
Der Bürgermeister gibt's, der Bürgermeister nimmt's. Dem Innensenator hat er seine von urbaner Reinlichkeitshysterie geprägten Bettler-Vertreibungspläne in die Hand gedrückt und auch wieder aus der Hand genommen. Dafür überließ er Wrocklage großzügig die Rolle des Sündenbocks. Sich selbst hat er bescheiden den Part des Retters der Drucksache und Beschützer der auf Sauberkeit bedachten BürgerInnen zugedacht. So schäbig kann Politik sein.
Dabei ist es Voscherau, dem sein sauberes Lieblingsthema völlig entgleist ist. Am Ende der heftigen Diskussion um „Visitenkarten“ und störende Randständige stellte selbst Bild mittels einer Umfrage fest, daß die meisten HamburgerInnen sich von Bettlern überhaupt nicht ernstlich belästigt fühlen.
Nun kann Voscherau sich nicht einmal als Sprachrohr der vielzitierten Bürger hinstellen. Bleibt die drängende Frage, für wen oder was er steht. Die lieben Genossen überschütteten ihn mit Gift und Galle. Mit der Forcierung solch heikler Themen beschwört er geradezu Spaltung und Flügelkämpfe in seiner Partei herauf. Und der erzwungene Rückzieher war seinem eigenen politischen Image auch nicht gerade zuträglich.
Voscherau wird nach dieser Schlappe mit Schmerzen zur Kenntnis nehmen müssen, nicht als ein Bürgermeister in die Hamburger Geschichtsbücher einzugehen, der historische Weichen gestellt und seine Spuren auf der Zeitenwende hinterlassen hat. Sondern bestenfalls als einer, der für etwas weniger wilde Müllkippen und Hundescheiße auf der Straße gesorgt hat. Und dafür kann er gerne ein Denkmal gesetzt bekommen.
Silke Mertins
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