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„Den harten Rambo markieren“

■ Wegen des Streits um den Todesschuss droht jetzt das gesamte Polizeigesetz zu kippen / SPD sieht die CDU als Bremsklotz / CDU besteht auf Regelung: Polizisten sollen auf Befehl schießen

In der schwarz-roten Koalition bahnt sich erneut ein handfester Krach um die Polizeigesetznovelle an. Nachdem sich die CDU am Wochenende auf ihrem Landesparteitag in Bremerhaven für die Einführung des „finalen Rettungsschusses“ ausgesprochen hatte, droht jetzt der zwischen den Koalitionen beschlossene Kompromiss zu kippen. „Der Todesschuss ist mit der SPD nicht zu machen“, betont deren innenpolitischer Sprecher, Hermann Kleen, gegenüber der taz. Der CDU-Beschluss, den „finalen Rettungsschuss“ im neuen Polizeigesetz zu verankern sei nichts als „Torschlusspanik“ im sich anbahnenden Wahlkampf. Die Christdemokraten, so Kleen, wollten sich deshalb scheinbar jetzt „beim Thema innere Sicherheit beweisen und den harten Rambo markieren.“

Nach zweijährigen Planungen hat die Änderung des seit 1983 gültigen Bremer Polizeigesetzes bereits die Bürgerschaft in erster Lesung passiert. Zum Thema „finaler Rettungsschuss“ hatten Bürgermeister Henning Scherf (SPD) und Hartmut Perschau (CDU) mit ihren Fraktionsspitzen bereits am 15. Dezember die Vereinbarung getroffen, „wegen des Dissenses beider Seiten keine explizite Regelungen“ zu treffen. Dennoch war es in der Vergangenheit immer wieder zum Krach um das Thema gekommen.

Jetzt sprach sich die CDU dafür aus, in der für nächste Woche vorgesehenen zweiten Lesung die in Niedersachsen gültige Rettungsschuss-Regelung auch ins Bremer Gesetz einzubringen. Ein klarer Bruch der Vereinbarung vom 15. Dezember, findet die SPD.

„In Niedersachsen ist in einer Ausführungsbestimmung festgelegt, dass der Beamte als allerletztes Mittel einen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Tode führenden Schuss abgeben darf“, erläutert der innenpolitische Sprecher der CDU, Rolf Herderhorst. Es könne nicht sein, dass Bremer Polizisten weiter nach dem Notwehrrecht handelten. Herderhorst: „Dieses Recht gilt für jeden. Das ist für die Polizei viel zu unsicher. Die Beamten brauchen eine spezielle Regelung.“ Herderhost betonte, die CDU verhindere das Polizeigesetz nicht, „wir ergänzen es nur.“ Mit dem Rettungsschuss hätten die drei Toten beim Geiseldrama von Gladbeck 1988 verhindert werden können, sagte Herderhorst: „Wer garantiert, dass wir nicht morgen ein neues Gladbeck haben.“ Bremen sei das einzige Bundesland, in dem der finale Rettungsschuss nicht geregelt sei: „Die Gewerkschaft fordert es, die Polizei will es. Deshalb müssen wir handeln.“ Herderhorst schloss nicht aus, das gesamte Polizeigesetz zu kippen, wenn die SPD beim finalen Rettungsschuss nicht auf die Linie der Christdemokraten einschwenke.

Inzwischen brachte die SPD erneut ihren eigenen Vorschlag ins Spiel. Im Unterschied zur CDU will sie es der Entscheidung und Verantwortung des Schützen überlassen, im Ernstfall zu schießen. Setzte sich die Regelung aus Niedersachsen durch, könnte der Todesschuss zukünftig in Bremen angeordnet werden – auch gegen den Willen des Polizisten. Verfassungsrechtler und Polizeiexperten hätten diese von der SPD favorisierte Lösung „als eindeutige Befugnisregelung für den handelnden Beamten“ und als „sehr geeignet“ bezeichnet, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Jens Böhrnsen.

Er forderte die CDU auf, „keine Obstruktionspolitik zu betreiben und sich doch noch als verlässliche Partner zu erweisen.“ Der Entwurf des zur Debatte stehenden Polizeigesetzes „spiegelt die Liberalität bremischer Traditionen wider“, so Hermann Kleen. Mit den verschärften Regelungen zum Platzverweis mit Gewahrsamnahme oder dem vereinbarten Modellversuch zur Videoüberwachung würde die zukünftige Polizeiarbeit erheblich erleichtert. Kleen: „Wir brauchen das Polizeigesetz dringend.“ ksc

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