piwik no script img

■ Mit der Steuerreform auf du und duDen Reichen zum Wohl

Berlin (taz) – Wer wollte nicht, daß jemand mit der Heckenschere durch den Wildwuchs der Steuergesetze geht, und wer wollte nicht endlich weniger Steuern zahlen? Beides verspricht die Regierung mit ihrer geplanten Steuerreform zu erreichen. Auf insgesamt 70 Milliarden Mark Einkommensteuern im Jahr will der Staat verzichten. Zur Deckung dieser Summe sollen Steuervergünstigungen gestrichen werden.

Klingt gut, ist aber kein sozialer Fortschritt. Bislang müssen zum Beispiel Bestverdiener 53 Prozent Einkommensteuern zahlen. Künftig kommen sie nach den ersten Regierungsvorstellungen mit 39 Prozent davon; vor dem heutigen Steuergipfel mit der Opposition gestand Finanzminister Theo Waigel allerdings ein, daß es auch 41 oder 42 Prozent sein könnten.

Das obere Zehntel der Lohnsteuerpflichtigen – Leute mit einem durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen von über 100.000 Mark – erhält nach den bisherigen Regierungsvorstellungen rund 35 Prozent des Entlastungsbetrags. Dies hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) letzte Woche vorgerechnet. Demnach kommt die Hälfte der Entlastungen den oberen 20 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen zugute. Die 20 Prozent der Bevölkerung, die am wenigsten verdienen, profitieren dagegen nicht von der Reform.

Das liegt vor allem daran, wo die Steuervergünstigungen gestrichen werden. Betroffen davon sind nämlich vorwiegend Arbeitnehmer. So soll beispielsweise die bisherige Steuerfreiheit für Zuschläge von Sonntags- und Nachtarbeit abgeschafft werden, die Kilometerpauschale für Fahrten zum Arbeitsplatz wird durch eine wesentlich niedrigere Entfernungspauschale ersetzt.

So kommt es dann, daß eine ledige Verkäuferin mit einem Jahresgehalt von 29.000 Mark nach der Reform 1.999 Mark mehr Steuern im Jahr zahlen müßte. Dem unverheirateten Chefarzt mit einem Jahressalär von 1,5 Millionen Mark hingegen würde die Steuerreform satte 185.000 Mark ersparen.

Für die Unternehmen setzt die Steuerreform nur einen Trend fort. Der Steuersatz für einbehaltene Gewinne soll von 45 auf 35 Prozent gesenkt werden. Ausgeschüttete Gewinne müssen nur noch mit 25 (statt bislang 30) Prozent versteuert werden. Seit Anfang der 80er Jahre, so das DIW, sei eine kontinuierliche Entlastung bei den Gewinnsteuern festzustellen. Die effektive Steuerbelastung der Unternehmen sei in dieser Zeit von 37 auf unter 25 Prozent gefallen. Bei den Arbeitnehmern habe sich die Steuerbelastung hingegen von 14 auf 15 Prozent erhöht.

Die Berliner Wirtschaftsforscher resümieren bitter, „daß die Steuerreform 1998/99 letztlich eine Verteilung von unten nach oben und von den privaten Haushalten zu den Unternehmen bewirkt, wobei vor allem solche Unternehmen profitieren werden, die nur geringe Investitionen vornehmen“. lieb

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen