: Den Feind inspizieren
Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer haben sich zwei Jahre lang die NPD von innen angesehen. Und präsentieren pünktlich zum Wahljahr Ergebnisse, die aufmerksam machen
Nicht das Dritte Reich ist das Thema, mit dem die rechtsextreme NPD vor allem bei der jungen Wählerschaft in der ostdeutschen Provinz punktet. „Unser Trumpf sind ganz klar die sozialen Themen“, sagt Philipp Valenta, Landesgeschäftsführer der Jungen Nationalen (JN) in Sachsen-Anhalt, der Jugendorganisation der rechtsextremen Partei. Das und mehr erzählt Valenta unverhohlen den beiden Journalisten Christoph Ruf und Olaf Sundermeyer in einem ausführlichen Interview.
Macht man das? Darf man sich stundenlang mit Rechtsextremisten treffen, um sie erzählen zu lassen und ihnen damit ein Forum zu bieten, auf dem sie ihre menschenverachtende Ideologie darlegen können? Ruf und Sundermeyer haben dies getan. Zwei Jahre lange waren die beiden Journalisten „mit der Partei unterwegs“. Sportvereine und Feuerwehren haben sie aufgesucht. Sie waren auf Europas größtem Rechtsrock-Festival, bei Aufmärschen der Autonomen Nationalisten in Dortmund und in der NPD-Zentrale im Saarland. Mit ihrem Cheftheoretiker, Jürgen Gansel, haben sie gesprochen, mit dem sächsischen NPD-Fraktionschef Holger Apfel und seinem Pendant in Schwerin, Uwe Pastörs, den beiden eigentlichen Drahtziehern in der Partei. Und Sundermeyer und Ruf fördern dabei Erschreckendes zutage: „Zu Beginn unserer Recherchen waren wir davon ausgegangen, es bei der NPD mit einer rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Bewegung zu tun zu haben. […] Wir hatten allerdings nicht damit gerechnet, auf eine […] national-sozialistische Partei zu stoßen.“ Sie befürchten, dass das Superwahljahr 2009 für die NPD das entscheidende in ihrer 45-jährigen Geschichte werden könnte.
Ihre Herangehensweise ist gewagt: Weniger dass sie sich ohne Berührungsängste in die „Höhle des Löwen“ begeben haben. Es ist schwierig, den angemessenen Ton zu finden. Denn wie sie selbst schreiben: Moralische Empörung über die NPD sei ein ehrenwerter Reflex. Häufig bleibe jedoch die Auseinandersetzung mit der rechtsextremen Partei auf platte „Nazis raus!“-Parolen oder uninformierte Stereotype beschränkt. Auf den Umgang mit beidem seien die Kader bestens geschult. „Man tut gut daran, sich mit der real existierenden NPD auseinanderzusetzen“, schreiben sie.
In weiten Teilen gelingt ihnen das auch. Unaufgeregt und nüchtern beschreiben sie die internen Machtkämpfe, die kriminellen Machenschaften, die innerparteilichen Finanzskandale. Zugleich zeigen sie, welche Ziele hinter der gutbürgerlichen Fassade ihrer Hauptakteure tatsächlich stecken: die radikale Umwälzung der bestehenden Gesellschaftsordnung, an deren Ende in vielen Jahren die Machtübernahme in Deutschland stehen soll. Im Kern bleibt die NPD rassistisch, chauvinistisch und nationalistisch.
Ganz nebenbei machen die Autoren auch das Versagen der anderen Parteien deutlich: So sitzt mit 25 Jahren der JN-Vorsitzende Michael Schäfer bereits im Harzer Kreistag. Das Durchschnittsalter der Mitglieder aller demokratisch gesinnten Parteien liegt bei 50. Und die einzigen Besucher, die auf den Zuschauertribünen den Kreistagssitzungen beiwohnen, sind NPD-Sympathisanten.
In weiten Teilen wirken die einzelnen Kapitel zusammenhanglos aneinandergereiht, ein roter Faden, der dem Leser Orientierung verschaffen könnte, fehlt. Und dennoch liest man das Buch mit Gewinn. Denn es macht deutlich: Trotz ihres desolaten Zustands – mehr als je zuvor ist die NPD eine Gefahr für die bundesrepublikanische Demokratie. Und das ganz nüchtern betrachtet.
FELIX LEE
Christoph Ruf, Olaf Sundermeyer: „In der NPD. Reisen in die National Befreite Zone“. C. H. Beck Verlag, München 2009, 229 Seiten, 12,95 Euro