: Den Coolsten beißen die Hunde
■ Neu im Kino: „Bunte Hunde“, ein Krimi der überlebensgroßen Macho-Gesten
„Hauptsache cool“ muß das erste Gebot des deutschen Regisseurs Lars Becker sein, denn sowohl in seinem ersten Kinofilm „Schattenboxer“ wie auch in dem Nachfolger „Bunte Hunde“ wird jede Situation und jede Filmfigur bis zum Verrecken aufs Coolsein hin abgeklopft. So läßt Becker seine Helden gerne in großen Macho-Gesten sterben, und für einen schön schnodderigen Spruch läßt er jede psychologische Motivation sausen.
Gleich zum Anfang von „Bunte Hunde“ hat man das Gefühl, einer der drei Autodiebe, von deren Diebes-, Knast- und Ausbruchskarriere der Film erzählt, verpfeift nur deshalb seine Kumpels, weil er so der Staatsanwältin vor Gericht noch frechere Antworten geben kann als die anderen beiden.
Vom ersten mit lässiger Nochchalance geknackten Auto an weiß man, daß es böse enden muß mit diesen drei Helden, die heilos romantisch durch die Straßen von Hannover marodieren. Deshalb wird der Film auch nie wirklich spannend, und so schön fatalistisch wie Beckers offensichtliche Vorbilder des klassischen film noir ist er auch nicht – eben weil jeder sich so angestrengt darum bemüht, abgebrüht zu wirken. Dem Schauspieler Peter Lohmeyer gelingt dies noch am ehesten, und Jan-Gregor Kremp ist als schmieriger Ex-Legionär so übertrieben lakonisch, daß jede Szene mit ihm einen schönen komischen Dreh erhält. Aber er ist dann leider auch der erste, der an seinem Stil krepiert.
Selbst die beiden Frauen müssen in Beckers Film pausenlos beweisen, wie macho sie sind. Ohne mit der Wimper zu zucken, schmuggelt Oana Solomonescu ihrem Liebsten die Knarre in den Knast, und Catrin Striebeck verpfeift die ganze Bande mit einer Zigarette im Mundwinkel.
Etwa eine Stunde lang ist Beckers Räuberpistole trotz allem durchaus interessant anzusehen. Sein Drehbuch hat einige überraschende Wendungen und der Regisseur hat ein sicheres Gespür für Drehorte, Beleuchtung, Schnitt und Musik. Aber im letzten Drittel des Film erzählt er leider nur noch von einem Gefängnissausbruch mit Geiselnahme. Da schwingt er plötzlich von seinen stilisierten Krimiklischees um und zeigt die Szenen so realistisch und detailversessen, daß man immer genau weiß, wie es weitergeht. Denn Becker stellt hier nur das nach, was man alle paar Wochen in den Nachrichten im Fernsehen sieht. So interessiert niemanden mehr das Ergebnis des letzten Schußwechsels. Und die Ironie, daß „ausgerechnet der überlebt, der alle verrät“ (so Becker) geht völlig ins Leere. Tödlich sind in Beckers Film eh nicht die Kugeln, sondern die Attitüden. Wilfried Hippen
Filmstudio /Freitag um 20.30 Uhr sind Regisseur und Hauptdarsteller Peter Lohmeyer anwesend
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen