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Den Beifall winken

■ Gute Leistungen bei der Volleyball-EM der Gehörlosen / Die UdSSR gewinnt

Gdansk (taz) - Eigentlich wollte Lorenzo Belotto längst aufhören mit dem Volleyball. Aber dann schwoll der Mann aus Vicenza auf ordentliche 107 Kilogramm und beschloß, wieder etwas für seinen Körper zu tun. Und so kam es, daß der 32jährige, bärtige Italiener kürzlich zum besten Einzelspieler der Europameister gekürt wurde.

Den Beifall, den er in der Danziger Sporthalle für diese Auszeichnung kassierte, konnte Belotto allerdings nicht hören. Doch er sah die sich bewegenden Hände und freute sich, und zudem: so wie ihm ging es den Aktiven und vielen unter den Zuschauern auch. Ausgespielt nämlich wurde in der polnischen Ostseestadt die Volleyball-EM der Gehörlosen, und für Lorenzo Belotto war die Ehrung so etwas wie ein Trostpflaster: Viel lieber hätte er die Goldmedaille mit nach Hause genommen, doch im Finale war die UdSSR besser 3:1.

Nicht nur der Sowjetunion machte der Bankangestellte zu schaffen, auch in anderen Spielen bewies er seine Übersicht, Sprungstärke und Technik. Kein Wunder: Noch 1989 spielte Belotto in Italiens Serie B bei den Hörenden mit.

Auch vom Niveau der anderen Spieler und Begegnungen zeigte sich Farby Warshaw angetan, der technische Delegierte des „Comite International des Sports Silencieux“ (CISS) aus den USA. Der College-Professor an einer Hochschule für Hörgeschädigte im Staat New York meinte sogar, daß bei dieser 3. Volleyball-Europameisterschaft besser gespielt würde als bei den letzten Weltspielen der Gehörlosen 1989 in Neuseeland.

Und der 34jährige Amerikaner hofft sogar auf eine Steigerung: 1993, bei den Weltspielen in Sofia, werden auch die USA und Japan dabeisein, und damit die ganze Creme dieser Sportart bei den Hörgeschädigten zusammen.

Insgesamt waren in Danzig neun Männer- und fünf Frauenteams am Start, und die Deutschen waren darunter gleich dreimal vertreten. Bei den nächsten Höhepunkten - Weltspiele '93, EM '94 in Italien - wird die Einheit der beiden Staaten wohl vollzogen sein, und so dürfte die erstmalige Teilnahme einer DDR-Männervertretung gleichzeitig auch die letzte gewesen sein. Für manche bringt die Politik damit das sportliche Aus, doch der guten Stimmung bei dieser Meisterschaft tat das keinen Abbruch.

Obgleich auch nicht alle Ziele erreicht wurden. So hatte sich die bundesdeutsche Herrenvertretung mehr ausgerechnet als Platz sieben: 80 Länderspiele bedeuteten reichlich Erfahrung, auch die materiellen und personellen Bedingungen waren bestens. Schließlich standen am Spielfeldrand Wolfgang Schillinger, Trainer des Frauen-Bundesligisten VC Straubing, und Silvia Laug, Nationalspielerin und jetzt als Masseurin tätig.

Doch die Bundesdeutschen gingen mit zuviel Selbstsicherheit an die Aufgabe, hatten die Fähigkeit der Gegner, sich zu steigern, unterschätzt. Wie das Niveau überhaupt sehr ausgeglichen war; bis auf die Schweiz, die ohne spezielle Vorbereitung mit zwei Freizeitteams angereist war. Überraschend war bestenfalls das glatte 3:0 der DDR gegen die Bundesrepublik. Freute sich Trainer Siegmar Schleef: „Hier schöpfte die Mannschaft ihr Leistungsvermögen voll aus.“

Gute Leistungen bot auch Bettina Steup aus Wuppertal, sie wurde als beste Spielerin geehrt. Und dann ging es ihr doch wie Lorenzo Bellotto: Nach relativ leichten Siegen gegen Norwegen, die Schweiz und Italien gewann die UdSSR das entscheidende Spiel.

Aber dann war da nicht nur eine Medaille, sondern der Beifall der Leute, die bei den Hörgeschädigten neben dem Klatschen auch einfach mit den Händen winken. Kommunikation ist ja nur mit Hörenden ein Problem, untereinander haben diese Sportler sogar Vorteile: Die Gebärdensprache, die international nur wenige Änderungen aufweist, erlaubt einfache Gespräche auch ohne Dolmetscher.

Jens Starke

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