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Demokrativerständnis à la Kohl

■ Die Neue Wache, das Grundgesetz und die Berliner Polizei: Ein Aperçu

Zur neuen deutschen „Gedenkzentrale“ Neue Wache ist gesagt, was zu sagen ist. In Kohl-bewährter Manier hat der Kanzler von Bismarcks Gnaden das neue deutsche Geschichtsverständnis per Dekret verbindlich für alle verfügt und zementiert. Die öffentliche Debatte über Form und Inhalt des Erinnerns nach dem Holocaust und nach zwei von Deutschland angezettelten Weltkriegen wurde nicht gesucht, viel weniger war sie erwünscht. Des Kanzlers Bild von der Biedermeier-Republik, die von nichts wußte und weiß und deshalb für nichts verantwortlich ist, hätte Schaden nehmen können. Demokratie ist nur was für ZweiflerInnen, diejenigen aber, die große Schneisen in die Geschichte zu schlagen wissen, haben derlei nicht nötig.

Wie sehr das Kohlsche Demokratieverständnis bereits Richtlinie staatlichen Handelns geworden ist, demonstrierten die polizeilichen Vorkehrungen zur Absicherung der „Feierlichkeiten“ vor der Neuen Wache. An Vorkontrollen und weit gesteckte Bannmeilen ist man ja schon gewöhnt, auch an Unflätigkeiten der Polizei („Das Volk und der Mob gehören hinter die Absperrung“), neu war mir zumindest die unverhohlen vorgetragene Interpretation des Grundgesetzes und hier vor allem der Grundrechtsartikel 2 (Allgemeines Freiheitsrecht) und 5 (Meinungs- und Informationsfreiheit). Ein kaum entrolltes Transparent, mit der die Staatssicherheit höchst bedrohlichen Aussage „Kein gemeinsames Erinnern an Opfer und Täter“ erregte binnen weniger Sekunden die demokratieschützenden Instinkte von fünf StaatsschützerInnen in Zivil, die uns selbiges kurzerhand entrissen. Unser Beharren auf dem grundgesetzlich verbürgten Recht der freien Meinungsäußerung („Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild zu äußern und zu verbreiten“, Art. 5 Abs. 1) sowie der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ (Art. 2, Abs. 1) beantworteten die PolizistInnen mit Verweis auf genau jenen Artikel 2 GG folgendermaßen (wörtlich!): „Die Meinung des einzelnen hat keine Geltung gegenüber der Meinung des Staates.“

Wen es danach noch immer wundert, wieso Kohl per Dekret regiert, sollte sich vielleicht Nachhilfe im Staatskundeunterricht der Polizei holen. Und noch eins. Ein Lieblingszitat Kohls ist, wie jede/r weiß, ein Satz Rosa Luxemburgs: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.“ Sabine Hark, Berlin

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