Demokratie in Deutschland: Eine Erfolgsgeschichte

Nach den Thüringer Wahlen gibt es eine solche Endzeit- und Kampfrhetorik, dass man sich fragen könnte: Steht der Faschismus vor der Tür?

Der Bundesadler im Deutschen Bundestag

Hängt fest und stabil: Der Bundesadler im Bundestag Foto: dpa

Wer als Faschistin oder Faschist erfolgreich werden will, der muss die emotionalen Strukturen einer faschistischen Gesellschaft in die Gegenwart übersetzen und mehrheitsfähig machen. Wenn wir liberale Demokraten uns nicht völlig bescheuert anstellen, dann wird das in unserer Bundesrepublik Deutschland nicht gelingen.

Selbstverständlich ist es notwendig, gegenüber Hasardeuren Klartext zu sprechen. Dass die CDU ein Problem hat, kann man nicht ignorieren. Aber gerade weil die Vorgänge in Thüringen aufwühlend und beunruhigend sind, ist es wichtig, ruhig und rational zu bleiben, jetzt nicht Angstlust zu zelebrieren und volle Erregungspulle das Bild einer gespaltenen Gesellschaft mitzukreieren, in der die wirklich Guten gegen die richtig Bösen im Endkampf stehen und wer das nicht so sieht, ein Verniedlicher ist. Ein „antifaschistischer“ Aufmarsch vor der FDP-Zentrale in Berlin? Ich glaub', es hackt. So potenziert man die emotionalen Strukturen, die die wirklich gefährlichen Antidemokraten aufbauen wollen.

Klar, im Osten des Landes sieht es durch die links-illiberale Geschichte und weniger gute Demokratieerfahrung anders aus, aber dennoch ist die 1949 gegründete Bundesrepublik eine grandiose Erfolgsgeschichte.

Das imperialistische Irrsinns-Deutschland, das aus der Nationalstaatsgründung von 1871 entstand und sich auch aus fehlender demokratischer Entwicklung, Minderwertigkeitskomplex und Revanchismus speiste, wurde nach 1945 abgewickelt und mit ihm Militärmacht, Militärkultur, Expansions- und Hegemoniegelüste.

Die aufrichtige Übernahme von Schuld und Verantwortung, das Eintauschen gegen eine pazifistisch orientierte, offene, emanzipierte und heterogene Zivilgesellschaft „gehört zum besten Erbe der Bonner Republik“, wie Joschka Fischer in seinem neuen Buch „Willkommen im 21. Jahrhundert“ schreibt. Nie wieder Auschwitz, nie wieder Weltkrieg, nie wieder imperialistischer Weltmachtirrsinn, nie wieder Totalitarismus, das ist das Fundament unserer Mehrheitsgesellschaft.

Thüringer Möchtgern-Faschist

Dieses Fundament bricht nicht weg, wenn sich im Parlament eines kleinen Bundeslandes unverantwortlich agierende Demokraten von einem Möchtegern-Faschisten am Nasenring durch die Arena zerren lassen.

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Die etwa von der SPD benutzte Sprache – „antifaschistische Abwehrfront“, „anständige Demokraten im Kampf“, „keinen Fußbreit zurückweichen“ – ist strategisch verständlich, wenn man jetzt gegen CDU und FDP emotional grundierte Beifanggewinne machen will. Aber sie hat etwas gruselig Militaristisches, als handele es sich um die Mobilmachung zum Bürgerkrieg: Die oder wir. Als müsse der wehrhafte Bürger das politische Problem jetzt im blutigen Endkampf auf der Straße lösen.

Dabei hat doch die SPD genauso wie die Union durch politische Fehler zum Aufstieg der AfD beigetragen. Nicht zu vergessen den kulturellen Beitrag der Linkspartei, das Etablieren und Bedienen eines destruktiven Ostopfergefühls inklusive Polarisierung gegen den „Westen“, das die AfD jetzt ausbaut. Das mag als eine Art „Dolchstoßlegende“ emotionalisierende Kraft haben, aber nicht gegen ein Außen.

So stehen als Feind-Illusion hauptsächlich ethnische Reinheitsfantasien zur Verfügung. Darauf gibt es eine politische Antwort, auch wenn sie einem persönlich nicht zusagt: Eine europäische Einwanderungspolitik, auf die sich eine klare demokratische Mehrheit verständigen kann.

Wenn man wirklich etwas vom Ende der Weimarer Republik verstehen will, dann dass es Faschisten und Kommunisten gelang, die antidemokratische Polarisierung durchzusetzen, weil die damals schwache liberale Mitte die Nerven verlor und auseinanderrannte.

Das ist es, was nie wieder passieren darf.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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